Die Geschichte der Grafschaft Pyrmont und der Stadt Lügde

Manfred Willeke/Lügde ©2015

Die Geschichte der Grafschaft Pyrmont, ihrer Ortsteile und ihrer ehemaligen Residenzstadt Lügde

DIE GRAFSCHAFT PYRMONT

URGESCHICHTE
Die Besiedlung in unserem Gebiet reicht in etwa bis ins 4. Jahrtausend vor Christi Geburt zurück, wie Steingerätefunde belegen. Die damaligen Bewohner entwickelten sich in dieser Zeit von Sammlern und Jägern zu Ackerbauern. Sie legten erste Häuser an und rodeten den Wald. Oberhalb von Bad Pyrmont liegt neben dem Ortsteil Hagen das untergegangene Dorf Plattgersten an einem Abzweig des berühmten Hellweges -von Aachen nach Königsberg-. Hier ist vor Jahren eine alte Steinklinge aus der Jungsteinzeit (4500-1800 vor Chr.) und ein ebenso alter Flintstein aus dem heutigen Belgien gefunden worden.
Zu diesen ersten Bewohnern stießen in der Zeit 2000 vor Christi Geburt kleinere Gruppen kriegerischer Halbnomaden und Viehzüchter aus Mitteldeutschland. Sie brachten schnurverzierte Gefäße (Schnurkeramiker) mit. Aus dieser Zeit stammen auch Funde aus dem Pyrmonter Moor, eine Doppelaxt vermutlich in der Zeit um 2500 vor Chr. entstanden und eine Kugelamphore aus der Zeit 2000-1700 v. Chr. In der folgenden Bronzezeit, 1700-700 vor Christi Geburt, bestatteten die Bewohner ihre Angehörigen in Hügelgräbern, von denen sich bis heute viele erhalten haben. Später wurden die Verstorbenen verbrannt und in Tongefäßen/Urnen beigesetzt. Eine solche Urne, aus der Zeit des 3. Jahrhunderts nach Christi Geburt, fand sich 1955 bei Bauarbeiten im Bereich der Rosenstraße in Lügde. Die Urne stammt, wie von der Außenstelle des Landesmuseums in Bielefeld festgestellt wurde, aus einer römischen Töpferei in Rhein-Zabern.

Herlingsburg, WestseiteDie Herlingsburg, Ansicht von Eschenbruch. Foto: Manfred Willeke

Der wichtigste Vorgeschichtliche Punkt unsere Gegend ist die Herlingsburg, ein rund 334 Meter hoher Bergkegel oberhalb des Bad Pyrmont/Lügder Talkessels. Ursprünglich befand sich hier eine germanische Burg. Nach Untersuchung verkohlter Hölzer der Wehrbauten, sind Teile der Befestigung bereits um 200 vor Christi Geburt entstanden. Mit ihrer 7 Hektar großen Innenfläche ist sie, im Vergleich mit anderen Burgen dieser Zeit, recht klein. Sie konnte von 100-200 Personen verteidigt werden und bot rund 1000 Menschen, die in kleinen Streusiedlungen der Umgegend wohnten, Schutz vor Angreifern. Um diese eigentlich Fliehburg in Stand zu halten war sie, wie Fund belegen, von einigen Familien durchgängig bewohnt. Schon der bekannte Archäologe Dr. Friedrich Hohenschwert, von 1976-1986 Direktor des Landesmuseums in Detmold, vermutete hier u. a. den Sitz eines germanischen Edelings. Er schreibt dazu: „Die Herlingsburg kann, weil sie tiefer im Siedlungsgebiet der Cherusker liegt, eher die Burg eines cheruskischen Stammesfürsten gewesen sein, als die Grotenburg bei Detmold. Vielleicht war sie sogar einer der Plätze, an dem Arminius seine Mitstreiter versammelte.“ Nach einer alten Sage ist Arminius in der Herlingsburg gefangen, bis er einst glorreich wieder hervortritt. Damit gehört die Herlingsburg in die Reihe jener berühmten Deutschen Berge, wie z. B. der Kyffhäuser, in dem Friedrich Barbarossa eingeschlossen ist.

Nach der germanischen Zeit verfiel die Burg und wurde rund 700 Jahre später, im 8. Jahrhundert nach Christi Geburt, als sächsische Stammesburg gegen die vordringenden Franken wieder in Stand gesetzt. Sie lag strategisch sehr günstig. Danach verlor sie an Bedeutung für die Menschen, blieb ihnen aber stets als geschichtlich wichtiger Ort in Erinnerung. Unterhalb der Burg gibt es auf der Ostseite eine Hochfläche, die „Hovestadt“ genannt, die auch nach dem Verfall der eigentlichen Burg noch eine Weile besiedelt geblieben ist. Bei einer Begehung mit dem bereits erwähnten Dr. Friedrich Hohenschwert, fanden sich Reste sächsischer Grubenhäuser und Siedlungsspuren aus dem 11. und 12. Jahrhundert nach Christi Geburt.
Seit der Auffindung von Tacitus Schriften im 16. Jahrhundert, wurde nicht nur der Osning in Teutoburger Wald umbenannt, sondern auch die Herlingsburg in Hermanns/Arminiusburg. Bei der Trennung der Grafschaft Pyrmont 1668 behielten die Grafen/Fürsten zu Waldeck-Pyrmont, über einen schmalen Streifen vom Dorf Hagen zugänglich, große Teile der Burgfläche. Damals glaubten sie, hier habe in grauer Vorzeit die Stammburg der Grafen von Schwalenberg (später Waldeck) gestanden. Manche der alten Forscher machten sogar den sehr fantasiereichen Versuch, die Linie des Arminius bis zu den Schwalenberger Grafen fortzuspinnen.

HerlingsburgDie Herlingsburg, Ansicht von Osten. Foto: Manfred Willeke

Am 29. November 1921 wurde im Rahmen eines Staatsvertrages zwischen dem Land Waldeck (Bad Pyrmont) und der preußischen Provinz Westfalen (Lügde), das Gebiet des Pyrmonter Bahnhofs (20 Hektar), das zu Lügde gehörte, mit Bad Pyrmont getauscht. Bad Pyrmont bekam den Bahnhof und Lügde als Ersatz ein Waldstück am Mühlenberg (8 ½ Hekar groß) sowie die bis dahin zur Hagener Gemarkung gehörigen Waldungen im Kiefgut und den Pyrmonter Hals=Zugang zur Hochfläche der Herlingsburg bzw. auch dieselbe (insgesamt 20 Hektar).
Die Herlingsburg als uralte Burganlage zog natürlich schon immer auch Forscher und Archäologen an. 1902 grub Professor Schuchardt im Bereich des ehm. Brunnens und fand hauptsächlich Scherben aus der sächsischen Zeit um 800 nach Christi Geburt. 1934 machte sich die „Pyrmonter Arbeitsgemeinschaft für germanische Vorgeschichte“ u. a. Erwin Brauß und Förster Melcher, im Auftrag der Vereinigung von Freunden germanischer Vorgeschichte in Detmold daran, verschiedene Grabhügel auf der Herlingsburg zu untersuchen. Die Ausgrabung leitete Museumsleiter Müller-Braul vom Väterkunde-Museum in Bremen. Bei den aufgedeckten Hügeln handelte es sich um Gräber aus der älteren Bronzezeit, also ca. 1700 Jahre vor Christi Geburt. Daneben fanden sich die für den nordwestdeutschen Raum typischen Urnen, eimerförmige Rauhtöpfe, die aus der vorrömischen Eisenzeit (700 vor bis 750 nach Chr.) stammen.

Heute erinnern noch die rund 1800 Meter langen Befestigungsreste/Wälle um die Hochfläche der Herlingsburg an ihre einstige Bedeutung.

DIE GRAFEN VON SCHWALENBERG UND DIE ENTSTEHUNG DER GRAFSCHAFT PYRMONT
Die Grafen von Pyrmont stammen ursprünglich aus dem Haus Schwalenberg. Die Schwalenberger stammen mit großer Wahrscheinlichkeit aus dem Mestremgau zwischen Deister, Leine und Steinhuder Meer. Dazu gehörten auch die Archidiakonate Pattensen und Wunsdorf. Einer der ersten faßbaren Vorfahren der Grafenfamilie dürfte Hermann sein, 1002 u. 1014 als Graf im Tiliti- und Wetigau erwähnt. Im folgte sein vermutlich Sohn Widekind, der 1031 als Graf im Tiliti- und Wetigau erscheint. Ende des 12. Jahrhunderts schufen Graf Widekind von Schwalenberg und Graf Gottschalck von Pyrmont die Grundlagen für die Stiftung des Klosters Barsinghausen (1203). Noch im 13. Jahrhundert hatten die Grafen von Schwalenberg und Pyrmont in ihrem ehemaligen Stammgebiet Besitzungen.
Einer der ersten, bereits 1127 erwähnten Burgsitze der Grafen von Schwalenberg in unserer Gegend ist die Oldenburg.

Oldenburg, oberhalb von MarienmünsterDie Oldenburg oberhalb des ehem. Klosters Marienmünster. Foto: Manfred Willeke

Unterhalb dieser Burg gründeten Graf Widekind von Schwalenberg und seine Frau Luttrudis von Itter im Jahre 1128 das Kloster Marienmünster. Dort ließen sich im Jahre 1137 Graf Widekind und 1178 Graf Volquin von Schwalenberg beisetzen. Ihre eindrucksvollen Grabsteine sind bis heute erhalten geblieben.

Burg PYrmont 39, Graf Widukind von SChwalenberg +1137

Grabstein des 1137 im Kloster Marienmünster begrabenen Grafen Widukind v. Schwalenberg

Mit den Grafen von Schwalenberg verbinden wir heute die Stadt Schwalenberg, die von Graf Volquin II. von Schwalenberg gegründet worden ist und bereits 1231 im Archidakonatsverzeichnis des Bistums Paderborn, als „Oippidum= Stadt Schwalenberg“ erwähnt wird.

Die Grafen von Schwalenberg gehörten zu den Parteigängern und Vasallen Heinrich des Löwen, der sich mit dem damaligen Kaiser Friedrich Barbarossa anlegte. Daraufhin verhängte der Kaiser 1180 über Heinrich den Löwen die Reichsacht, so daß dieser -vermutlich 1181- nach England ins Exil gehen mußte. Sein Besitz, u. a. das Herzogtum Westfalen-Engern, fiel daraufhin an den Kaiser, der sich umgehend um den Schutz desselben kümmern mußte, denn schnell keimten hier und da territoriale Interessen auf.
Die Gewalt über das Herzogtum Westfalen und Engern übertrug Kaiser Friedrich Barbarossa dem Erzbischof des überaus bedeutenden Bistums Köln, Philipp von Heinsberg. Graf Widekind von Schwalenberg, bisher zur Partei Heinrich des Löwen gehörig, wurde nun Anhänger des Erzbischofs von Köln, der sein neu gewonnenes Herzogtum absichern und schützen mußte. So erklärt sich auch, daß er an der Grenze desselben, im Gebiet des Grafen Widekind von Schwalenberg, von diesem dessen Allod = Eigenbesitz Oesdorf kaufte. Danach baute er 1182/83 entweder eine schon vorhandene Burg der Grafen von Schwalenberg aus oder errichtete eine neue Burg, was sich heute nicht mehr mit Sicherheit sagen läßt. Diese Burg stellte der Erzbischof unter den Schutz des hl. Petrus und nannte sie „Petri-Mons“, also Petersberg. Vermischt mit der uralten Gebietsbezeichnung „Piringismarca“, die erstmals 889 in einer Urkunde König Arnulfs erwähnt wird und nach Prof. Dr. Birgit Meineke auf den germanischen Ursprung hinweist, entwickelte sich daraus der Name „Pyrmont“.
Am 7. März 1184 ließ sich der Erzbischof den Erwerb von Oesdorf und dem „Castrum Perremont“ für die Kirche von Köln, von Papst Lucius III. genehmigen. Wie vermutlich vorher abgesprochen, belehnte der Erzbischof von Köln Graf Widekind von Schwalenberg am 2. April 1184 mit der Hälfte der Burg Pyrmont, die ja in seinem Gerichtsbezirk lag.
Graf Widekind von Schwalenbergs gleichnamiger Sohn nannte sich seit 1187, nach der Burg und dem Gebietsnamen: „Graf von Pyrmont“
Graf Widekind von Pyrmont nutzte die Burg Pyrmont zunächst als Mittelpunkt, der aus der Gesamtgrafschaft Schwalenberg herausgelösten, neu entstehenden Grafschaft Pyrmont.
Zu dieser neu entstehenden Grafschaft Pyrmont, dürften die Dörfer Hiddenhausen (1/2 zu Schwalenberg gehörig), Oster(hagen), Plattgersten, Ubbenbrock, Dodenbrock, Heßel, Lied, Dallhausen, Schleden(hagen), Bruwen = Kleinen- und Großenberg, Thal, Vesper, Löwensen, Oesdorf, Holzhausen, Huckenhausen bei Holzhausen, Brake, Wienkhausen, Holzhausen bei Elbrinxen, Elbrinxen, Sabbenhausen, Ottersen, Wormelte, Hiddenhausen, Dane und später noch die Hagengründungen: Nienhagen, Delmenhagen, Mellenhagen und Wedenhagen gehört haben.
Neben der Burg Pyrmont war die 1195 bereits bedeutende Münzstätte Lügde ein wichtiger Mittelpunkt der Grafschaft. Seit 1239 stellten die Grafen hier vermehrt Urkunden aus.

Karte Grafschaft Pyrmont

Die Grafschaft Pyrmont um 1400

In dieser Zeit hatten die Grafen von Pyrmont mit dem übermächtigen Erzbischof von Köln, Engelbert von Berg (1216-1225), zu kämpfen, der 1225 ermordet wurde. Sein Nachfolger Heinrich von Mölenark ließ die Expansionspolitik seines Vorgängers zunächst ruhen. Nach seinem Tod setzte sie Erzbischof Konrad von Hochstaden seit 1238 um so stärker fort. Diese Expansionspolitik fand mehrere Gegner, u. a. den Paderborner Bischof Simon zur Lippe (1247-1277). Die Pyrmonter Grafen sahen in dieser Gegnerschaft die Chance, sich endgültig aus der Abhängigkeit des Erzbischofs von Köln zu lösen. Bereits 1242 zählten sie zum gegnerischen Kreis des Grafen Wilhelm von Jülich und damit zur Partei des Stauferkönigs Konrad IV. Die Stauferpartei war zunächst siegreich und die Grafen von Pyrmont ersetzten die Amtsleute und Burgmänner des Erzbischofs von Köln auf der Burg Pyrmont durch ihre eigenen. 1254 zogen Graf Wilhelm von Jülich, der Bischof Simon von Paderborn und ihre Getreuen in einen Kampf gegen den Erzbischof von Köln. Sie unterlagen der Kölner Übermacht und der Bischof von Paderborn geriet sogar in Gefangenschaft. Für die Grafen von Pyrmont hatte der Sieg des Erzbischofs von Köln schlimme Folgen. Dieser entzog ihnen sofort ihre Lehnshälfte der Burg Pyrmont. Um die Grafschaft Pyrmont zu retten, mußten die Grafen von Pyrmont einer Vereinbarung mit dem Erzbischof zustimmen, die ihnen dieser am 23. Juli 1255 diktierte. Dadurch verloren die Grafen einen Teil der Grafschaft Pyrmont und die Hälfte ihres erstmals als Stadt genannten Hauptortes Lügde. Sie durften aber die halbe Burg Pyrmont wieder in (Lehns)Besitz nehmen.

Burg Pyrmont 29, Graf Gottschalck vor der Stadt Lügde

Graf Gottschalck von Pyrmont (1222-1262 erwähnt) mit seinem Sohn vor der Stadt Lügde, Zeichnung: Kunst- maler Fritz Drewes, Lügde 1952 

Das Grafenhaus Pyrmont war seitdem geschwächt und die Grafschaft deshalb, weit vom Erzbistum Köln entfernt, eine leichte Beute für benachbarte Territorialherrscher. Edelherr Simon zur Lippe griff deshalb, vielleicht auch aus Rache für die Gefangennahme seines Onkels (Bischof Simon von Paderborn) durch den Erzbischof von Köln, zwischen 1276-1284 in die Geschichte der Grafschaft Pyrmont ein. Er umging die befestigte und damals wohl bereits schwer einnehmbare Stadt Lügde, zerstörte die Burg Pyrmont und besetzte die beiden herrschaftlichen (Meier)Höfe in Oesdorf. Aus dem Besitz der Grafen von Pyrmont eignete er sich Teile des Dorfes Thal, Vesper und andere Güter innerhalb der Grafschaft Pyrmont an, die auch danach im Besitz der Edelherren/Grafen zur Lippe blieben. Ob sich die Grafen von Pyrmont damals nicht zur Wehr setzten, oder ganz und gar den Racheakt der Lipper unterstützten, läßt sich heute nicht mehr klären. Der Erzbischof von Köln beauftragte 1306 den Marschall Johann von Bielstein, für das Erzbistum die beiden herrschaftlichen (Meier)Höfe in Oesdorf wiederzugewinnen, die Simon dem Marschallamt Westfalen „entrissen“ hatte. Einen großen Teil der von Edelherr Simon zur Lippe angeeigneten Besitzungen der Grafschaft Pyrmont konnte der Marschall wohl wiedergewinnen, darunter auch die Ruine der Burg Pyrmont, die allerdings nicht wieder aufgebaut worden ist und eine Ruine blieb.

AUS DER GESCHICHTE DER GRAFSCHAFT PYRMONT
1314 heiratete Graf Gottschalck von Pyrmont Adelheid von Homburg, deren Vater die Überweisung aller anderen Mitglieder des Hauses Pyrmont in den „Geistlichen Stand“ verlangte. So wurden Beatrix Nonne in Wunsdorf und Jutta Nonne in Gandersheim. Für den Fall, daß das Grafenhaus Pyrmont aussterben sollte wurde vereinbart, daß die Grafschaft Pyrmont dann an das Haus Homburg fallen sollte. Vorausschauend gedacht, aber die Homburger starben lange vor den Pyrmontern aus.
Seit 1353 finden wir neben Graf Gottschalck auch den Junker (=Jungen Herrn) Hermann von Pyrmont erwähnt, der nach dem Tod des Vaters vor 1355 die Regierung in der Grafschaft übernahm. Graf Hermann heiratete eine Frau namens Oda, über deren Herkunft bislang nichts weiter bekannt war. Ihr allerdings nicht sehr häufiger Vorname läßt die Vermutung zu, daß es sich um die Witwe des Johannes v. Huckenhausen handelt.
In der Regierungszeit von Grafen Hermann trat seit 1347 die Pest in Europa auf. Innerhalb kürzester Zeit starben ganze Dörfer aus. Eine kleine Eiszeit vernichtete die Ernten und innerhalb von ein- bis zwei Generationen gingen in der Grafschaft folgende Dörfer unter: Schleden(hagen), Boltsdorf, Dane, Dallenhausen, Holzhausen bei Elbrinxen, Ottersen, Wienkhausen, Nienhagen, Plattgersten, Vesper, Ubbenbrock, Dodenbrock, Wedenhagen, Delmenhagen, Mellenhagen, Oster(hagen), Sabbenhausen, Großenberg, Brake, Heßel, Lied, Wormelte, Elbrinxen und Hiddenhausen.

Hiddenhausen, Wüstung, mit Blick auf die Herlingsburg

Blick vom wüsten Dorf Hiddenhausen, im Vordergrund, zur Herlingsburg, Foto: Heinrich Brinks (+)

Diese Katastrophe schwächte die Grafen von Pyrmont und erneut warfen benachbarte Territorialherrscher ein Auge auf die Grafschaft Pyrmont. In dieser schwierigen Lage stellte Graf Hermann von Pyrmont und sein Bruder Heinrich am 6. September 1360 eine sehr bemerkenswerte Urkunde aus, die ihre politische Schwäche überdeutlich werden läßt. Sie übertrugen (Fürst)Bischof Baldewin von Paderborn, als Vertreter des Fürstbistums und Hochstifts Paderborn, freiwillig und unentgeltlich (!) ihre Hälfte der Stadt Lügde, das Stadtgericht, ihre Stadtmühle und von dem, was sie von ihrem Erbe, d. h. von ihrem Teil der Grafschaft Pyrmont, zur Zeit bewirtschafteten, die Hälfte. All dies erhielten sie vom (Fürst)Bischof als Lehen zurück. Der (Fürst)Bischof bzw. das (Fürst)Bistum/Hochstift Paderborn versprachen den Grafen dafür ihre Hilfe bei der Rückerlangung, der ihnen „abgenötigten Güter“. Die Kosten dafür wollten der (Fürst)Bischof bzw. das (Fürst)Bistum zu zwei Drittel und die Grafen zu einem Drittel tragen. Mit dieser Übertragung retteten die Grafen ihre Grafschaft vor weiteren Übergriffen benachbarter Territorialherrscher, denn einem bedeutenden (Fürst)Bischof -der ja nun Miteigentümer der Grafschaft Pyrmont war- konnte man so schnell nichts „abnötigen“, d. h. ihm etwas wegnehmen und in sein Territorium eingreifen.
1370 bzw. 1371 erwarb der (Fürst)Bischof von Paderborn vom Erzbischof von Köln zunächst pfandweise, dessen 1184 erworbenen Anteile an der Grafschaft Pyrmont bzw. auch der später ausgebauten Stadt Lügde. 1377 gelangt es ihnen, diese Kölner Teile endgültig zu erwerben. Somit gehörte die Grafschaft Pyrmont nun ganz zum Fürstbistum Paderborn. Ansonsten griffen die (Fürst)Bischöfe von Paderborn wenig in die Belange der Grafschaft Pyrmont ein.
Mit den (Fürst)Bischöfen von Paderborn als Schutzherren an ihrer Seite, gelang den Grafen von Pyrmont ein beispielloser Ausbau der Grafschaft Pyrmont. Am 2. Februar 1393 erwarben Graf Hermann von Pyrmont und sein Sohn Heinrich, für 300 Mark Westfälisches Silber, von Graf Hermann von Everstein -der einst auch ein Auge auf die Grafschaft Pyrmont geworfen hatte (!)- pfandweise das Amt Ottenstein. Dazu gehörten den Flecken (d. h. stadtähnlich) Ottenstein mit Gericht, Burg, Vogteien, die Dörfer Todenbrock bei Lichtenhagen, Hohe, Grave an der Weser und das Dorf bzw. Mühle Sievershagen.

51 Ottenstein nach Merian

Ottenstein mit der ehem. Burg Ottenstein, Stich von Matthias Merian 1645

Die Regierung in der Grafschaft Pyrmont übernahm 1420 zunächst Graf Moritz, der sich seit 1442 dieselbe mit seinem Bruder Heinrich teilte. Am 14. Januar 1448 erweiterten die Brüder die Grafschaft Pyrmont erneut. Sie erwarben pfandweise von den Brüdern v. Kanne (in Lügde) deren Hälfte der ehemaligen Eversteiner Burg in Polle, zu der das Weichbild und das Gericht in Polle, sowie weitere, nicht genannte „Zubehörungen“ -wohl die Dörfer Brevörde und Heinsen- gehörten. Damit hatte die Grafschaft die größte Ausdehnung im Mittelalter erreicht und war eine durchaus respektable Herrschaft mittlerer Größe.

Der letzte regierende Graf aus dem Hause Pyrmont war Graf Moritz. Da zunächst sein Bruder Heinrich in der Grafschaft regierte, übernahm er am 22. Februar 1466 die Stelle des Stadthauptmannes in Lübeck. Nach dem Tod des Bruders, gab er 1474 diese Stellung auf und kehrte in die Grafschaft Pyrmont zurück. 1477 ließ er die alte Residenz in der Stadt Lügde am Oberen (südlichen) Stadttor etwas umbauen und „zur Bequemlichkeit“ auch ein sog. „Privet“, also einen Abtritt anbauen.
Am 4. Mai 1494 verstarb Graf Moritz von Pyrmont und wurde in der Kilianskirche vor dem Katharinenaltar (südliche Seitenapsis) beigesetzt.

Grabstein Graf Moritz von Pyrmont +1494, Zeichnung von Joh. Conrad Pyrach

Grabstein des 1494 verstorbenen Grafen Moritz von Pyrmont, ehem. in der Kilianskirche vor Lügde. Zeichnung: Johann Conrad Pyrach, 18. Jahrh.

Er war mit Gräfin Margarethe von Nassau-Beilstein verheiratet. Um 1420, als Tochter des Grafen Johann von Nassau-Beilstein geboren, war sie in erster Ehe mit Johann von Schöneck-Vianden verheiratet. Sie war rund zwölf Jahre älter als Graf Moritz und dürfte bei der Eheschließung um 1462 bereits 42 Jahre alt gewesen sein. Damit war sie wohl zu alt, um noch Kinder zu bekommen. Sie trat sehr selbstbewußt auf und stellte auch eigenständig Urkunden aus, was für die damalige Zeit ungewöhnlich war. Wahrscheinlich ist das darauf zurückzuführen, daß sich Gräfin Margarethe durchaus bewußt war, daß aus ihrer Familie Adolf von Nassau, 1292-1298 Deutscher König, stammte. Deshalb hing sie an die von ihr eigenständig ausgestellten Urkunden immer ihr eigenes Nassauer Siegel.
Noch unter ihrer Regentschaft begann auch die Wiederbesiedlung des sog. „Pyrmonter Berges“, der heutigen Pyrmonter Bergdörfer (Neersen, Baarsen, Großenberg, Kleinenberg und Eichenborn), die im 14. Jahrhundert wüst gefallen waren.
Am 24. Juni 1498 übereignete sie den Grafen Moritz und Friedrich zu Spiegelberg, die, gegen alle Einsprüche des Fürstbischofs von Paderborn bzw. der von diesem als Erben vorgesehenen Edelherren zur Lippe, die Nachfolge der Grafen von Pyrmont angetreten hatten, ihre Leibzucht an der Grafschaft Pyrmont. Am 26. Juni 1498 ist sie dann verstorben und wurde in der Kilianskirche neben ihrem Mann beigesetzt.

Grabstein MArgarethe Gräfin von Pyrrmont +1498, Zeichnung von Joh. Conrad Pyrach

Grabstein der 1498 verstorbenen Gräfin Margarethe von Nassau, Witwe des Grafen Moritz von Pyrmont, ehem. in der Kilianskirche vor Lügde. Zeichnung: Johann Conrad Pyrach, 18. Jahrh.

Damit endet die Geschichte des Grafenhauses Pyrmont. Es gibt allerdings heute noch zahlreiche Nachkommen der Grafen von Pyrmont in Lügde und der alten Grafschaft Pyrmont. Sie stammen aus der wohl nicht standesgemäßen Verbindung des gleichnamigen Onkels des letzten Grafen, Moritz von Pyrmont (1420-1465). Einer seiner Söhne hieß Heinrich Feuerberg, bezogen auf eine falsche Namensdeutung Pyrmonts -Pyr=Feuer und Monte=Berg-. Er hatte mehrere Kinder, von denen sich der gleichnamige Sohn Henrich mit Elisabeth, einer unlegitimen Tochter des Edelherren Bernhard VII. zur Lippe und die Tochter Geseke mit dem Lügder Bürgermeister Hermann Trope(n) verheiratete.

Geseke Feuerberg

Geseke Fürbach (Feuerberg), Herm(ann) Trope(n) Frauwen, Anno 1500. Zeichnung: Johannes Tognino, 18. Jahrh.

DIE GRAFEN ZU SPIEGELBERG UND PYRMONT, ZUR LIPPE-SPIEGELBERG UND PYRMONT, VON GLEICHEN-SPIEGELBERG UND PYRMONT und GRAFEN bzw. FÜRSTEN ZU WALDECK-PYRMONT
Nach dem Aussterben der Grafen von Pyrmont nahmen die Grafen zu Spiegelberg die Grafschaft Pyrmont in Besitz, die ihnen von den Fürstbischöfen von Paderborn bzw. den Edelherren zur Lippe streitig gemacht wurde. Erst 1525 kam es zu einer Einigung. Im Jahr darauf begannen die Grafen in der Nähe der berühmten Pyrmonter Mineralquellen mit dem Bau der Festung (Schloß) Pyrmont.

Siegel des Grafen Friedrich von Spiegelberg und Pyrmont, Nachzeichnung

Siegel des Grafen Friedrich zu Spiegelberg und Pyrmont aus dem Jahre 1535

Nachdem am 10. August 1557 der einzige männliche Erbe des Grafen, Philipp zu Spiegelberg und Pyrmont, in St. Quentin gefallen war, fiel die Grafschaft an Ursula zu Spiegelberg und Pyrmont, seit 1558 mit Graf Hermann Simon zur Lippe verheiratet.

80 Gräfin Ursula

Gräfin Ursula von Spiegelberg und Pyrmont, 1558 verheiratet mit Graf Hermann Simon zur Lippe. Zeichnung nach alten Vorlagen

Als auch deren Sohn Philipp am 11. Februar 1583 unverheiratet verstarb, kam es um den Besitz der Grafschaft zu einem längeren kriegerischen Streit zwischen der verwitweten Gräfin Walburga zu Spiegelberg-Pyrmont und Gleichen (verheiratet seit 1558 mit Georg Graf von Gleichen) und Fürstbischof Heinrich von Paderborn (seit 1567 Erzbischof von Bremen und seit 1574 auch Fürstbischof von Osnabrück, allerdings ohne päpstliche Bestätigung). 1584 einigte sich Gräfin Walburg mit dem Fürstbischof und verblieb im Besitz -z. T. als Lehen des Fürstbistums Paderborn (!)- der Grafschaft Pyrmont. Ihr folgten ihre Söhne Graf Philipp Ernst und Hans Ludwig von Gleichen-Spiegelberg und Pyrmont.

118 Graf Hans Ludwig von Gleichen Spiegelberg und Pyrmont und seine Frau Gräfin Erdmut 1600

Graf Hans Ludwig von Gleichen-Spiegelberg und Pyrmont mit seiner Ehefrau Erdmut Juliane, Zeichnung aus dem 17. Jahrhundert. Foto: Stadtarchiv Bad Pyrmont

Da diese keine Erben hatten, übertrugen sie die Grafschaft Pyrmont am 3. Februar 1619 an die Grafen Christina und Wolrad zu Waldeck, die sie am 28. Mai 1625 offiziell in Besitz nahmen. Der Fürstbischof von Paderborn protestierte gegen diese Übertragung. In Folge des 30-jährigen Krieges gehörte die Grafschaft von 1629-1633 zum Fürstbistum Paderborn, 1633-1636 zur Grafschaft Waldeck, 1636-1646 wieder zum Fürstbistum Paderborn und fiel 1646 zunächst an die Schweden bzw. dadurch endgültig an die Grafen zu Waldeck. Der Besitz blieb zunächst strittig und wurde zwischen dem Fürstbischof von Paderborn und den Grafen/Fürsten zu Waldeck durch den sog. „Pyrmonter Hauptvergleich“ am 14. März 1668 endgültig geklärt. Die Stadt Lügde kam an das Fürstbistum Paderborn, das Schloß Pyrmont mit den Mineralquellen und die Dörfer Hagen, Holzhausen (mit dem ehemals selbständigen Dorf Huckenhausen zusammengewachsen), Oesdorf, Löwensen, Thal, Kleinenberg, Großenberg, Baarsen, Neersen und Eichenborn an die Grafen/Fürsten zu Waldeck.
Die Grafen, seit 1712 Reichsfürsten zu Waldeck und Pyrmont, bauten den Badeort Pyrmont planmäßig aus. Sie ließen bereits vor der endgültigen Einigung 1662 ein neues Brunnenhaus, 1667 ein größeres Brunnenhaus und die Hauptallee anlegen und zu Beginn des 18. Jahrhunderts vom Baumeister Hermann Korb (gebürtig aus dem heutigen Lügder Ortsteil Niese), Architekt am Hof der Braunschweiger Herzöge, ein neues Schloß erbauen.

Bad Pyrmont, Schloß

Schloß Pyrmont. Foto: Manfred Willeke

1720 erhob Fürst Friedrich Anton Ulrich zu Waldeck und Pyrmont die Brunnenstraße zur

Bad Pyrmont, Neustadt nach Seuter 1738

Die „Neustadt Pyrmont“. Ansicht aus dem Jahre 1738 von Seuter

„Stadt Pyrmont“. In der Folge siedelten sich auch jüdischen Kaufleute und Pensionswirte an, die eine Jüdischen Gemeinde in Pyrmont gründeten. Seit vor 1763 hatten die Juden an der heutigen Bomberg-allee einen eigenen Friedhof und richteten 1817 eine eigene Synagoge mit Mikwe und Schule an der Bathildisstraße ein.

Waldeck und Pyrmont, Wappen Waldeck und Pfalz Birkenfeld

Allianzwappen des Fürsten Anton Ulrich zu Waldeck- und Pyrmont und seiner Ehefrau Pfalzgräfin Louise von Birkenfeld, am Pyrmonter Schloß. Foto: Manfred Willeke

König Friedrich Wilhelm von Preußen hatte, aufgrund der hohen Schulden der Fürsten zu Waldeck und Pyrmont, 1796 den Ankauf der Grafschaft Pyrmont für seine Geliebte, Gräfin Lichtenau erwogen. Wegen des zu hoch angesetzten Preises kam dieser Kauf allerdings nicht zustanden. 1803 scheiterte der Plan Fürst Friedrichs zu Waldeck und Pyrmont, die Grafschaft Pyrmont für 1.620.000 Reichstaler an den Landgrafen zu Hessen zu verkaufen, an der Intervention seines Bruders, Prinz Georg. Im Januar 1805 übernahm Kurhessen die Finanzadministration der Grafschaft Pyrmont und setzt Hessische Beamte und Truppe in Pyrmont ein. Prinz Georg zu Waldeck und Pyrmont nahm daraufhin Verhandlungen mit Hessen auf und erreicht, daß sich die Beamten und Truppen im Oktober 1805 wieder aus der Grafschaft Pyrmont zurückzogen. Nun übernahm Prinz Georg, jetzt Fürst Georg zu Pyrmont, die Verwaltung in der ehemaligen Grafschaft Pyrmont, die damit offiziell von Waldeck getrennt wurde. Nach dem Tod von Fürst Friedrich 1812 wurden die Landesteile Waldeck und Pyrmont wieder vereint.
1867 schlossen Waldeck-Pyrmont und Preußen einen Akzessionsvertrag, nach dem Preußen die Verwaltung des Fürstentums übernahm.
1914 erhielt der Badeort Pyrmont offiziell den Zusatz „Bad“. 1918 wurde der Fürst zu Waldeck und Pyrmont abgesetzt und der Waldecker Landesteil Pyrmont schloß sich 1922 der preußischen Provinz Hannover (heute Niedersachsen) an. Gleichzeitig schloß sich Oesdorf als Stadtteil der Stadt Bad Pyrmont an. Holzhausen wurde 1938 als Stadtteil zwangsweise angegliedert.

Im Krieg 1870/71 fielen 19 Einwohner Pyrmonts. / Im 1. Weltkrieg 1914/18 fielen bzw. wurden vermißt 57 Bad Pyrmonter Einwohner. / 1933-1945 Im 3. Reich haben 14 Mitglieder der Jüdischen Gemeinde ihr Leben verloren. Mehreren Familien gelang es auszuwandern. / Im 2. Weltkrieg 1939/45 fielen und wurden vermißt, 633 Einwohner Bad Pyrmonts (mit Oesdorf). / Am 5. April 1945 wurden die Ortsteile und die Stadt Bad Pyrmont von den Amerikanern besetzt. Während des Krieges war Bad Pyrmont Lazarettstadt, weshalb es zu keinen nennenswerten Kriegsschäden kam.

90, Geißler, Blick auf Pyrmont 1890

Blick auf das Bad Pyrmont. Stahlstich von Robert Geißler um 1880

In Bad Pyrmont gibt es neben der evangelischen Urpfarrkiche St. Petri in Oesdorf noch die 1872-77 errichtete evangelische Stadtkirche (siehe auch Holzhausen, Hagen und Neersen). Seit 1829 gab es im Kurpark eine katholische Kapelle, die während der Kursaison genutzt wurde. 1861 erfolgte die Gründung der katholischen Pfarrei St. Georg. Am 15. November 1903 wurde der Grundstein für die heutige Kirche St. Georg an der Bathildisstraße gelegt, die 1905 eingeweiht werden konnte. Im Ortsteil Holzhausen (ehemals auch in Hagen) gibt es noch eine Neuapostolische Kirche. Daneben gibt es eine Quäkergemeinde und seit 1997 eine Liberale Jüdische Gemeinde in Bad Pyrmont. Die evangelische St. Johannis-Gemeinde (Altlutheraner) hat von 1867-1939 bestanden. Im 18. Jahrhundert ist die Loge „Friedrich zu den drei Quellen“ entstanden.

Bad Pyrmont, Friedrichsquelle

Friedrichsquelle in Bad Pyrmont. Foto: Manfred Willeke

DIE GRAFEN VON PYRMONT
-Widekind von Schwalenberg, Sohn von Widekindus von Schwalenberg (1144 – 1186), seit 1184 Graf von Pyrmont, urkundlich als solcher seit 1187/89 genannt
-Gottschalck (Senior) von Pyrmont (1221 – 1247), verheiratet mit Gräfin Kunigunde von Holte
-Gottschalck von Pyrmont (1222 – 1262), verheiratet mit Gräfin Beatrix von Hallermund
-Hermann von Pyrmont (1258 -1292)
-Hermann von Pyrmont (1289 – 1328), verheiratet mit Gräfin Lutgardis von Schwalenberg
-Gottschalck von Pyrmont (1314 – 1341), verheiratet mit Adelheid von Homburg
-Hermann von Pyrmont (1341 – 1371), verheiratet mit Oda, Witwe v. Huckenhausen
-Hermann von Pyrmont (1371 – 1378)
-Heinrich der Ältere von Pyrmont (1375 – 1418), verheiratet 1. Ehe mit Pelleke; verheiratet 2. Ehe mit Gräfin Haseke von Spiegelberg (Haseke war als Witwe Äbtissin in Neuenheerse)
-(aus 1. Ehe) Heinrich von Pyrmont (1422 – 1457)
-Moritz von Pyrmont (1432 – 1494), verheiratet mit Margarethe von Nassau-Beilstein († 1498), Witwe des Johann von Schöneck-Vianden

zu erwähnen sind noch:
-Bodo, Graf von Pyrmont, 1371 – 1395 Abt des Klosters Corvey
-Moritz, Graf von Pyrmont (1420 – 1464), hatte zwei illegitime Söhne (Heinrich Feuerberg und Alter Moritz von Oesberg)
-Godecke, Gräfin von Pyrmont, 1464 – 1477 Äbtissin von Neuenheerse

DIE GRAFEN ZU SPIEGELBERG-PYRMONT / ZUR LIPPE-SPIEGELBERG UND PYRMONT und VON GLEICHEN-SPIEGELBERG UND PYRMONT
-Friedrich zu Spiegelberg, seit 1525 auch Graf von Pyrmont, verh. I. Ehe mit Anna von Sachsen-Lauenburg, verh. II. Ehe 1518 mit Anna von Hohenstein
-Philipp zu Spiegelberg und Pyrmont (1530-1557)
-Ursula zu Spiegelberg und Pyrmont (1526-1583), verh. 1558 mit Graf Hermann Simon zur Lippe
-Philipp zur Lippe-Spiegelberg und Pyrmont (1560-1583)
-Walburga zu Spiegelberg und Pyrmont (1521-1599), verh. 1558 mit Graf Georg von Gleichen
-Philipp Ernst von Gleichen-Spiegelberg u. Pyrmont (1561-1619) / Hans Ludwig von Gleichen-Spiegelberg und Pyrmont (1565-1606) / Georg von Gleichen-Spiegelberg und Pyrmont (1566-1599)

DIE GRAFEN, SEIT 1712 FÜRSTEN ZU WALDECK UND PYRMONT
-Christian zu Waldeck-Pyrmont (1585-1637), verh. mit Elisabeth Gräfin von Nassau-Siegen / Wolrad zu Waldeck-Pyrmont (1588-1640), verh. mit Markgräfin Anna von Baden
-Philipp zu Waldeck-Pyrmont (1613-1638), verh. mit Anna Catharina von Sayn-Wittgenstein / Georg Friedrich zu Waldeck-Pyrmont, seit 1682 Reichsfürst (1620-1692), verh. mit Elisabeth
Charlotte von Nassau-Siegen / Christian Ludwig zu Waldeck-Pyrmont (1635-1706), verh. I. Ehe mit Anna Elisabeth Gräfin von Rappolstein, verh. II. Ehe mit Johanne Gräfin vo Nassau-Sabrücken
-Friedrich Anton Ulrich zu Waldeck-Pyrmont, seit 1712 Reichsfürst (1676-1728), verh. mit Louise Pfalzgräfin zu Birkenfeld
-Karl August zu Waldeck-Pyrmont (1704-1763), verh. mit Christiane Pfalzgräfin zu Zweibrücken-Birkenfeld / Christian Philipp zu Waldeck-Pyrmont (1701-1728)
-Friedrich zu Waldeck-Pyrmont (1743-1812), seit 1805 nur noch Fürst in Waldeck
-Georg zu Waldeck-Pyrmont (1747-1813), verh. mit Auguste von Schwarzburg-Sondershausen, seit 1805 Fürst zu Pyrmont, nach dem Tod des Bruders Friedrich, Fürst zu Waldeck und Pyrmont
-Georg Heinrich zu Waldeck-Pyrmont (1789-1845), verh. mit Emma von Anhalt-Bernburg
-Georg Victor zu Waldeck-Pyrmont (1831-1893), verh. I. Ehe mit Helene Prinzessin von Nassau, verh. II. Ehe mit Louise Prinzessin von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg
-Friedrich zu Waldeck Pyrmont (1865-1946), verh. mit Bathildis zu Schaumburg-Lippe

DAS „BAD“ PYRMONT
Der Badeort Pyrmont bzw. die Verehrung und Nutzung der Quellen ist durch den bekannten Brunnenfund belegt. Bei der Neufassung des Pyrmonter Brodelbrunnens auf dem Brunnenplatz, wurde 1863 in 3,75 Metern Tiefe, unter einem umgestürzten Lindenbaum, einer der bedeutendsten frühgeschichtlichen Hortfunde des deutschen Mittelgebirgsraumes gemacht. 240 Gewandschließen, eine emaillierte Schöpfkelle und römische Münzen belegen, daß die Pyrmonter Quellen bereits den Germanen und Römern (1.-3. Jahrhundert nach Chr.) bekannt waren.

Bad Pyrmont, Brunnenfund

Fundstücke des berühmten Pyrmonter Brunnenfundes aus dem Jahre 1863. Foto: Museum im Schloß Pyrmont

Die erste schriftliche Erwähnung der Quellen findet sich in einer Handschrift des Mönchs Heinrich von Herford aus der Zeit um 1350/70. Dort heißt es u. a.: „Im (Herzogtum) Westfalen in der Grafschaft Pyrmont bei der Stadt Lügde (opidu Lude) in der Diözese Paderborn ist ein Ort des Überflusses mit einer Quelle, der Bullerborn genannt“.

03 Heinrich von Herford Pyrmont 1350
Bericht Heinrich von Herfords über die Pyrmonter Quellen, um 1350/70. Kopie aus dem Stadtarchiv Bad Pyrmont

In dem weiteren Bericht schreibt Heinrich von Herford, das der „Bullerborn/Brodelquelle“, immerfort mit „heftigem Sprudeln und Aufbrausen“ an die Oberfläche steigt.
Wie uns Johannes Pyrmontano/Feuerberg, ein Nachkomme der Grafen von Pyrmont, in seiner Schrift: „Fons Sacra, Beschreibung des wunderbaren und Weltberühmten Heil-Brunnens / Gelegen in der Herrschaft Pyrmont, gedruckt 1597 in Lemgo“ berichtet, war der Pyrmonter Brunnen damals bereits seit über 200 Jahren in „Beruff“, d. h. gebraucht worden und sehr bekannt. Weiter heißt es: „…haben vor hundert und mehr Jahren darin gebadet große Herren und Fürsten“. Im weiteren Text wird auch der erste namentlich bekannte Kurgast erwähnt, Margaretha geborene zur Lippe, Ehefrau des Grafen Johann des Älteren zu Rietberg. Sie hatte seit 1502 mehrfach das „… heilsame Wasser zu ihren Gebrechen genützet“. Im März 1556 trat eine bis dahin vermutlich verschüttete Quelle wieder hervor, die das sog. „Wundergeläuf“ auslöste.

Bad Pyrmont, Wundergeläuf 1556, Zeichnung Gerda Riege

Das „Pyrmonter Wundergeläuf“ 1556. Zeichnung Gerda Riege, 1930

Der oben bereits erwähnte Johannes Pyrmontano/Feuerberg schreibt dazu: „Anno 1556 gegen den Frühling…, ward dieser edle heilige Brunn eines großen Ansehen, Würden und Namen, nicht allein in Teutschland, sondern in all umliegenden Provincien, durch die gantze Christenheit, in Hispania, Franckreich, Engelland, Schottland, Norwegen, Schweden, Dennemark, Polen, Ungarn und gantz Italien berühmt, und seiner Tugend halber überaus bekandt und ruchtbar, also daß er unversehend anfing zu unzähligen Krankheiten nützlich und heilsam gebraucht zu werden…“ Zehntausende Heilungssuchende, Professoren, Doktoren und reiche Kaufleute kamen zu den Pyrmonter Quellen. Die bekanntesten waren: Hedwig, Ehefrau des Kurfüsten Joachim zu Brandenburg, Tochter des Königs von Polen / König Sigismund von Polens Tochter / Catharina, Ehefrau des Herzogs Johann Ernst von Sachsen-Couburg / Conrad, Graf zu Tecklenburg / Sigismund, Graf zu Gleichen / der Gelehrte Helmericus Bone / Rektor Hermann Huddaeus, später Pastor in Minden. Sie wohnten zum Teil im Schloß Pyrmont.
In seiner Kaiserchronik berichtet Michael Sachsens, Hofprediger des Grafen Philipp Ernst zu Gleichen-Spiegelberg und Pyrmont, daß Graf Philipp Ernst 1583/89 eine Anlage über der Hauptquelle errichten ließ, das erste Brunnenhaus/Tempel. Er berichtet auch von der für ihn günstigen Heilung von der Gicht, durch warme Bäder im Pyrmonter Wasser 1583, 84, 88 und 1589, als er mit dem Grafen und dessen Frau Anna Agnes, geborene Gräfin von Hohenlohe, Pyrmont besuchte. Dieses erste Brunnenhaus ist vor 1618 wieder verfallen. Die Hauptquelle waren danach nur mit Eichenholzbrettern eingefaßt.

1628 machte der kaiserliche General-Feldmarschall Graf Pappenheim eine Trinkkur mit Pyrmonter Wasser. Er bat den Hamelner Stadtphysikus Dr. Bolmann, die Pyrmonter Quellen zu untersuchen. Bolmann fertigte daraufhin eine „Kurtze Beschreibung“ der Quellen an, die 1661 in Rinteln gedruckt worden ist.

1651 erfahren wir von weiteren Trinkkuren und 1655/1660 haben viele „Gräfliche, Adeliche und andere vornehme Standes-Personen (die Quellen) gebraucht, welche allesamt sich wol darnach befunden!“

Seit 1666 (1669?) war Dr. Andreas Cunaeus von Keil praktizierender Brunnenarzt an den Pyrmont Quellen. Ihm folgte 1682 sein jüngerer Bruder Georg von Keil als Brunnenarzt, der seinen Wohnsitz „beim Brunnen“ hatte.

1662 ließ Graf Georg Friedrich zu Waldeck auf dem Brunnenplatz, über der Hauptquelle, ein neues Brunnenhaus (Brunnentempel) erbauen, das allerdings nicht lange Bestand hatte. 1667 ließ er es wieder abreißen und ein neues, wahrscheinlich viel größeres Brunnenhaus erbauen. Gleichzeitig ließ er auch die Hauptallee anlegen.

Bad Pyrmont 1698

Älteste Ansicht des Bades Pyrmont aus dem Jahre 1698

Aus dieser Zeit sind folgende Kurgäste bekannt:
1662/63/65/68/69/77/79/81/83/90 Herzog Ernst August, seit 1661 Bischof von Osnabrück, seit 1679 Herzog von Braunschweig-Hannover, seit 1692 Kurfürst in Hannover, mit seiner Ehefrau Sophie von der Pfalz
1664 Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel
1667 Herzog Georg Wilhelm von Braunschweig-Celle mit Ehefrau Eleonore
1671, Juli / 1672, Juni/Juli Herzog Georg Wilhelm von Braunschweig-Celle, Herzog Ernst August von Braunschweig-Hannover und Herzog Johann Friedrich von Braunschweig-Hannover (verst. 1679), jeweils mit ihren Familien
1675, Juli Landgräfin Hedwig Sophie von Hessen Kassel (Schwester des Große Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg)
1677, Juni / Herzog Georg Wilhelm von Braunschweig-Celle, Herzog Ernst August von Braunschweig-Hannover und Herzog Johann Friedrich von Braunschweig-Hannover (verst. 1679)
1678, Juni / Herzog Johann Friedrich von Braunschweig-Hannover, Herzogin Sophie von Braunschweig-Hannover geb. von der Pfalz und ihre Schwester, Äbtissin Elisabeth von Herford
1679, Juni, Juli und August / Herzog Georg Wilhelm von Braunschweig-Celle, Herzog Ernst August von Braunschweig-Hannover, jeweils mit ihren Familien, sowie die Herzöge Rudolf August und Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel
-wegen der Allianzverhandlungen mit den Fürstbischöfen von Paderborn und Münster, mehrfach Gesandte derselben

Vom 24. Juni bis 22. Juli 1681 trafen sich folgende gekrönte Häupter und Fürsten zum sog. „Fürstensommer“ im Bade zu Pyrmont:
-Königin (Witwe) Sophie Amalie von Dänemark geborene Herzogin von Braunschweig
-Prinz Georg von Dänemark
-Der große Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg, mit seiner zweiten Ehefrau Dorothea von Holstein-Glücksburg, sowie seine Söhne Ludwig und Philipp
-Herzog und späterer Kurfürst Ernst August von Braunschweig-Hannover mit seiner Ehefrau Sophie von der Pfalz
-Prinz Georg Ludwig von Braunschweig-Hannover (späterer König Georg I. von Großbr.)
-Prinz Friedrich August von Braunschweig-Hannover
-Prinzessin Sophie Charlotte von Braunschweig-Hannover (spätere Königin von Preußen)
-Herzog Georg Wilhelm von Braunschweig-Celle mit seiner Ehefrau Eleonore d´ Olbreuze
-Prinzessin Sophie Dorothea von Braunschweig-Celle
-Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel
-Landgräfin Hedwig Sophie von Hessen-Kassel
-Prinz Philipp von Hessen-Kassel mit seiner Ehefrau Katharina Amalie von Solms-Laubach
-Herzogin Dorothea von Holstein-Sonderburg
-Herzog Christian Albrecht von Holstein-Gottorp mit seiner Ehefrau Friederike Amalie von Dänemark
-Landgräfin Sophie von Hessen-Kassel, Prinz Philipp von Hessen-Kassel, Prinzessin Katharina Amalie von Hessen-Kassel
-Fürst Johann Georg II. von Sachsen-Anhalt-Dessau mit seiner Ehefrau Katharina von Oranien u. den Töchtern Elisabeth Albertina, Fürstäbtissin zu Herford, Amalia und Marie Eleonore
-Kurfürstin Wilhelmina Ernestina (Christine) von der Pfalz (zu Heidelberg)
-Prinzessin Magdalena von Mecklenburg-Güstrow
-Herzog Friedrich zu Mecklenburg
-Prinzessin Eleonore von Sachsen-Eisenach-Sayn-Altenkirchen
-Magdalena Sophie von Solms-Greifenstein geb. von Hessen-Homburg

Auf Einladung des Landesherren der Nachbarstadt Lügde, Fürstbischof Ferdinand von Paderborn (da er krank war konnte er selber nicht kommen), traf sich die edle Gesellschaft einmal im Rathaussaal der Stadt Lügde. Die Vertretung des Landesherren und Fürstbischofs von Paderborn dürften dabei der Lügder Pfarrer bzw. Heinrich Simon v. Post auf Lügde (1642-1713) übernommen haben.

1701 weilte Kurfürstin Sophie von Braunschweig-Hannover alleine in Pyrmont zur Kur, von wo aus sie einen Brief, wegen der königlichen Nachfolgefrage in Großbritannien und Irland, an den Hof in London schrieb. Ihr Sohn Georg Ludwig von Braunschweig-Hannover schätzte das Pyrmonter Wasser sehr. Er weilte 1705, 1706 und 1713 mit seinem Hofgefolge in Pyrmont. Auch 1714 war er wieder in Pyrmont zur Kur. Sein Gesundheitszustand war nicht besonders gut. Während seiner Kur in Pyrmont erreichte Georg Ludwig die Nachricht, daß Königin Anna von Großbritannien und Irland am 12. August verstorben und er nun der nächste König von Großbritannien und Irland sei. Nachdem er die Kur in Pyrmont beendet hatte, reiste er nach Hannover und im September dann nach England, wo er am 20. Oktober gekrönt wurde (Georg I.).

Vom 6. bis 26. Juni 1716 besuchte Zar Peter der Große von Rußland das Bad Pyrmont. Er wohnte beim Brunnenarzt Dr. Johann Philipp Seip (Brunnenstraße 3). Viele Mitglieder seines Hofes, unter anderem Vizekanzler Baron Pjotr Petrowitsch Schafirow (1669-1739)

30 Vicekanzler Baron von Schaffirow, 1716

Vizekanzler und Baron Schafirow. Gemälde eines unbekannten Meisters im Schloß Pyrmont

und Leibmedikus Blumentrost begleiteten ihn. Um den Zaren zu treffen, reiste auch der berühmte Asien- und Japan-Forscher Engelbert Kämpfer aus Lemgo nach Pyrmont. Er vermittelte eine Begegnung des Zaren mit dem Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leipnitz aus Hannover. Am 13. Juni kam auch Graf Friedrich Adolph zur Lippe-Detmold nach Pyrmont, um den Zaren zu treffen. Der Zar bewunderte die (Senne)Pferde des Grafen und soll sogar einige gekauft haben.
Nach dem Vorbild des Badeortes Pyrmont gründete der Zar 1719 das Kurbad Marzialnye Vody in der Nähe von Petersburg, wohin er später oft fuhr. Das Wasser dort ist von Dr. Blumentrost untersucht worden, der mit dem Zaren auch in Pyrmont war.
Nachdem der Zar abgereist war, kam am 3. August 1716 König Georg I. von Großbritannien und Irland erneut nach Pyrmont zur Kur, wo er sich -wie zuvor Zar Peter- mit dem Universalgelehrte Leipnitz traf.

1732 finden wir König Friedrich von Schweden als Kurgast in Pyrmont erwähnt.

Von 1746 bis 1794 besuchte der Regierungsbeamte, Schriftsteller u. Historiker Justus Möser aus Osnabrück insgesamt siebzehn Mal den Badeort Pyrmont, gefolgt vom bekannten Schriftsteller Friedrich Gottlieb Kloppstock aus Kopenhagen 1760, Kanonikus und Kunstsammler Johann Wilhelm Gleim aus Halberstadt 1764, Prof. Philologe, Bibliothekar und Altertumswissenschaftler Christian Gottlob Heyne 1778, die Schriftstellerin Johanna Schopenhauer 1787, der Berliner Verleger u. Schriftsteller Friedrich Christoph Nicolai 1785, Schriftsteller August v. Kotzebue 1788, Elisa v. d. Recke 1790/91 und Dichterfürst Johann Wolfgang v. Goethe 1801, um nur einige zu nennen.

Am 18. Juli 1773 kam der bekannte (jüdische) Gelehrte und Philosoph Moses Mendelssohn aus Berlin nach Pyrmont, wo er sich mit dem Schriftsteller Gotthold Ephraim Lessing traf. Dieser stellte 1783 in Berlin sein Drama „Nathan der Weise“ vor, für das ihm Mendelssohn als Vorbild diente. Moses Mendelssohn kam 1774 noch einmal nach Pyrmont.

42 Moses Mendelssohn, Kupferstich von Müller, 1773 u. 1774

Moses Mendelssohn, Kupferstich von Müller um 1773

1776 kam der bekannte Buchhändler und Verleger Philipp Erasmus Reich mit seiner Frau nach Pyrmont zur Kur. In seinem Verlag (Weidmanns Erben und Reich in Leipzig) erschien 1784/85 die damals sehr populäre, zweibändige Pyrmonter Beschreibung des Brunnenarztes Heinrich Matthias Marcard.

Bad Pyrmont, Hauptallee nach Marcard 1784

Die Pyrmonter Hauptalle, Ansicht von Marcard 1784

Viele bekannte Kurgäste besuchten Pyrmont im 18. Jahrhundert. Es war damals ein ausgesprochenes Modebad. Ein Jahr mit besonders vielen bekannten Kurgästen war 1777. Damals kurten in Pyrmont:
-Erbprinzessin Amalie Auguste von Braunschweig-Hannover (Schwester des späteren Königs Georg III. von Großbritannien)
-Etatsrat Helfrich Peter v. Sturz aus Oldenburg
-Herr Oberstallmeister v. Stein mit Frau Gemahlin Charlotte von Stein aus Weimar und Ernst Josias von Stein
-Generalsuperintendent Johann Gottfried Herder aus Weimar
-Prinz August von Sachsen-Gotha-Altenburg
-Frau Premierminister Lucie v. Münchhausen geb. Gräfin v. d. Schulenburg
-Prinz Carl von Mecklenburg-Strelitz mit seiner Ehefrau Friederike Caroline Louise von Hessen-Darmstadt und ihrer Tochter Prinzessin Louise (später Königin Louise von Preußen)
-Prinz Friedrich Georg August von Hessen-Darmstadt
-Geheimer Justizrat Johann Stephan Pütter mit seiner Ehefrau aus Göttingen
-Musikdirektor Johann Friedrich Schweinitz aus Göttingen
-Graf Heinrich Ernst zu Stolberg-Wernigerode
-Bildhauer Daniel Rauch

1781 finden wir neben dem Prinzen Friedrich von Großbritannien (der gleichzeitig auch Bischof von Osnabrück war) als Kurgast in Pyrmont noch: „Präsidenten“ Gerlach Adolph, Baron v. Münchhausen (1743 Begründer der Universität Göttingen, ab 1753 Kammerpräsident für Finanzen unter König Georg III. von Großbritannien und seit 1765 schließlich Premierminister) Kurz nach ihm traf sein weitschichtiger Vetter, der bekannte Hieronymus Carl Friedrich Baron v. Münchhausen aus Bodenwerder ein. Er war häufig Kurgast in Pyrmont und traf hier 1785 zufällig den Dichter Gottfried August Bürger. Bürger fand den Baron v. Münchhausen sehr interessant und traf sich mehrfach mit ihm, um seine Geschichten zu hören. Später gab Bürger die ausgeschmückte Übersetzung von Münchhausens Geschichten aus dem englischen heraus.

Seit 29. Juli 1791 hielten sich: „Herr Graf Giovanni (Johannes) Battista (Baptist) Caprara, päpstlicher Nuntius aus Wien und sein Sekretä Junior“ zur Kur in Pyrmont auf. Sie wohnten beim jüdischen Pensionsinhaber Levi Berends (Brunnenstraße 39/40). Caprara nahm bei der Krönung Napoleons, als König von Italien am 28. Mai 1805 die kirchlichen Weihhandlungen vor. Nach seinem Tod am 21. Juni 1810 in Paris, wurde er als Nationalheld im Pariser Pantheon beigesetzt.

Bad Pyrmont, Brunnenfee

Brunnenausschank im Kurpark Bad Pyrmont. Foto: Manfred Willeke

Nachdem der sog. „Wandsbecker Bote“ Matthias Claudius im Frühjahr 1797 Silberhochzeit gefeiert hatte, reiste er mit seiner Frau Rebekka, die sich während ihrer Kur in Pyrmont 1796 bereits gut erholt hatte, am 4. August gemeinsam nach Pyrmont.
1797 war eine besonders glanzvolle Kursaison. Damals kurten König Friedrich Wilhelm von Preußen mit seiner Geliebten Gräfin Lichtenau, seinem gleichnamigen Sohn mit dessen Ehefrau Louise, Prinz Louis Ferdinand von Preußen, Kapellmeister Himmel, König Gustav IV. Adolf von Schweden und der Kronprinz Friedrich von Dänemark in Pyrmont.
Seit 1801 kam der Hamburger Bankier Salomon Heine (Onkel von Heinrich Heine) fast jedes Jahr zur Kur nach Pyrmont. Ab 2. Juli 1802 wohnten im Krügerschen Haus (Brunnenstraße 44) „Herr Hofrat und Professor Marcus Herz und Frau Hofrat (Henriette) Herz aus Berlin“, das damals bekannteste Ehepaar Europas. Henriette Herz, 1764 als Tochter des portugiesischen Arztes Benjamin de Lemos in Hamburg geboren, war durch die gute Ausbildung bei ihrem Vater eine sehr „gelehrte“ Frau und sprach neben Hebräisch auch Griechisch, Latein, Schwedisch, Französisch, Englisch und Italienisch. Gemeinsam mit ihrem Mann führte sie einen der bekanntesten Salons in Berlin, der damals zum geistigen Mittelpunkt in Europa zählte. Von den vielen Gästen sind u. a. Friedrich Schlegel, Herzogin Dorothea von Kurland, Prinz Louis Ferdinand von Preußen und Friedrich Schiller zu erwähnen. Henriette Hertz korrespondierte mit den Brüdern Alexander und Wilhelm v. Humbold, Carl v. Laroche, dem Bildhauer Gottfried Schadow, Dorothea Veit (Tochter von Moses Mendelssohn) und vielen anderen bekannten Persönlichkeiten Europas.
1806 weilten die heute noch verehrte Königin Louise von Preußen und (ihre Kaiserliche Hoheit, Tochter des Zaren von Rußland) Maria Pawlowna, verheiratet mit dem späteren Erb-Großherzog Carl Friedrich von Sachsen-Weimar, in Pyrmont zur Kur.
1817 finden wir unter den Kurgästen u. a. die Königin von Württemberg, Großfürstin Katharina Pawlowna (Tochter des Zaren von Rußland) mit dem Prinzen und der Prinzessin von Württemberg, sowie einer Hofdamen. (1820 auch ihren Mann, den regierende König von Württemberg, Wilhelm I.). Daneben weilten auch der Erb-Großherzog Carl Friedrich von Sachsen-Weimar und der Preußische Staatskanzler Karl August v. Hardenberg mit seiner Frau in Pyrmont. Letzter kurte 1822 nochmals mit seinem Schwiegersohn, dem später sehr bekannten Hermann Ludwig Heinrich Fürst v. Pückler-Muskau in Pyrmont.

Bad Pyrmont, Kurpark Erdbeertempel

Der Erdbeertempel im Kurpark von Bad Pyrmont. Foto: Stadtarchiv Bad Pyrmont

1823 finden wir neben dem königlich Preußischem General-Leutnant und Kriegsminister v. Hake, Graf Blücher, dem General-Adjutanten des Zaren, Fürst Barclay de Tolly aus Petersburg, dem königlich Französischen Minister Chevallier de Cabre aus Paris auch den bekannten preußischen Staatsmann Freiherrn v. Stein als Kurgast in Pyrmont.
1828 reiste aus Italien Herzog Karl II. Ludwig Ferdinand von Bourbon-Parma, Infant von Spanien, letzter König von Etrurien, Herzog von Lucca und Herzog von Parma, in Begleitung seiner Ehefrau, Herzogin Maria Theresia geb. v. Savoyen / Prinz Ferdinand / Frau Marquise v. Bocella / Frau Comtesse Simonetti / Herr Marquise v. Bocella / Herr Rat und Dr. Recher / Herr Chevalier Ravasque, Geheimer Kabinetts-Sekretär / Herr Pater O´ Finan, der Beichtvater / Herr Pater Deaki, Prinzenlehrer / Herr Josef Satori, Haushofmeister, nach Pyrmont zur Kur.

1830 finden wir zwei weitere bekannte Namen in der Kurliste verzeichnet, obwohl beide keine direkten Kurgäste waren. Es handelt sich um Albert Lortzing und Franz Liszt, als Mitglieder -also Schauspieler (!)- des „Fürstlich Lippischen (Pichlerschen) Hoftheaters Detmold“, das in der Sommerzeit viele Jahre hindurch im Badeort Pyrmont spielte. Als solche wohnten sie nicht direkt in Pyrmont, sondern im angrenzenden Kirchdorf Oesdorf beim jüdischen Kaufmann Simon Moses, Lortzingstr. 16. Albert Lortzing ist danach noch mehrfach als Schauspieler, Musiker und Kurgast in Pyrmont gewesen.

75a Franz Liszt, Zeichnung von Vogelstein, 1830

Franz Liszt, Zeichnung Vogelstein um 1830

Am 1. Juli 1840 kamen „Frau Professorin Grimm und Fräulein Grimm aus Cassel“ nach Pyrmont zur Kur, die ihen offenbar sehr gut bekommen ist, denn wir finden beide 1841 am 21. Juni erneut in der Kurliste verzeichnet. Fast einen Monat später reiste dann auch „Professor (Wilhelm) Grimm aus Cassel“ nach Pyrmont. Sie wohnten beim Polizeikommissar Friedrich Wilhelm Nebelsiek, Am Hilligen Born Nr. 5. Überliefert ist, daß sich Professor Wilhelm Grimm mit dem 1823 in Lügde geborenen Schriftsteller und Komponisten Joseph Seiler getroffen hat. Prof. W. Grimm soll Seiler zur Herausgabe des Buches „Sagen und Märchen aus Heimat und Fremde“ ermutigt haben, das 1849 in Kassel erschienen ist.

1857 kurte die Königin von Griechenland, unter dem Pseudonym „Gräfin von Athen“, in Pyrmont, sowie Amalie Marie Friederike geb. Herzogin von Oldenburg, begleitet von: Fräulein Lidorski und Fräulein Kurponi, Hofdamen ihrer Majestät der Königin von Griechenland / Herr Obristleutnant Botzaris, Adjutant seiner Majestät des Königs von Griechenland / Herr Mauaraki, Sekretär des Griechischen Hofmarschallstabes aus Oldenburg

1857 heiratete Sophie von Nassau, die Schwester von Fürstin Helene zu Waldeck und Pyrmont geb. von Nassau, den späteren König Oscar II. von Schweden, weshalb in der Folge auch Mitglieder des schwedischen Königshauses zur Kur nach Pyrmont kamen. Dies waren: 1861 Königin Josephine von Schweden, geb. v. Leuchtenberg -Schwiegermutter von Sophie-, unter dem Pseudonym „Herzogin von Ostgothland“, mit ihrer Hofdame Fräulein von Jegerhjelw und dem Kammerherren Graf Cornstedt. 1862 wohnten im Schloß Pyrmont Prinz Oscar von Schweden und Norwegen, die Königin von Schweden Josephine geb. v. Leuchtenberg -Schwiegermutter von Sophie-, wieder unter dem Pseudonym „Herzogin von Ostgothland“ / Prinz Gustav, Herzog von Wermland / Prinz Oscar, Herzog von Gotland / Prinz Carl, Herzog von Westgothland. Am 16. Juli 1876 kamen die Prinzen Oscar Carl Wilhelm –später Herzog von Västergötland- und Eugen Napoleon Nikolaus, die Söhne von König Oscar II. von Schweden und seiner Frau Sophie von Nassau, als Kurgäste nach Pyrmont.

Neben den vielen gekrönten Häuptern und adeligen Kurgästen, kamen inzwischen auch immer mehr Großindustrielle nach Pyrmont, wie z. B. 1854 Reeder Slomann aus Hamburg, 1855 Fabrikbesitzer Krupp aus Essen, 1867 Familie A. Haniel aus Ruhrort und 1869 der (Kölnisch-Wasser) Fabrikant Farina aus Köln.

Im August 1889 finden wir ihre „königliche Hoheit“ Fürstin Antonia Maria von Hohenzollern-Siegmaringen geborene Prinzessin von Portugal (1845-1913), Schwester des Königs von Portugal, als Kurgast in Pyrmont. Sie wurde begleitet von König Karl I. von Rumänien, eingetragen unter seinem Geburtsnamen Prinz Karl von Hohenzollern-Siegmaringen.

Durch die Heirat von Prinzessin Emma zu Waldeck-Pyrmont mit König Willem III. der Niederlande 1879, kamen neben dem Königspaar auch Gäste der dortigen Königsfamilie zur Kur nach Pyrmont. So z. B. Prinzessin Maria, die Ehefrau des Prinzen Heinrich der Niederlande, unter dem Pseudonym „Comtess von Vianden“, Tochter des Prinzen Friedrich Carl von Preußen (Bruder von Kaiser Wilhelm I.), mit großem Gefolge am 6. Juli 1881 (Rückreise am 30. August). Auch im darauf folgenden Jahr 1882 kam sie wieder nach Pyrmont.

1885 hielt sich der Dichter Peter Hille in Pyrmont auf und übersiedelte im gleichen Jahr nach hier. Nachdem er zunächst in der Stadt gewohnt hatte, zog er 1887 auf die Hamborner Mühle an der Stadtgrenze, wo er bis 1889 lebte. Danach verzog er in die Schweiz. Seine Pyrmonter Zeit verarbeitete er in seiner 1889 veröffentlichten Heimatstudie „Vorfrühling im Teutoburger Wald“.

1892 und 1898 kurte Pastor Bodelschwing, Gründer der gleichnamigen Anstalten in Bielefeld/Bethel, in Pyrmont. Er wohnte im Haus „Bethesda“ in Oesdorf.  Weitere berühmte Kurgäste waren:

1903 Ernst Herbst Haeckel, Zoologe und Philosoph (1834-1919)

1904, 1. Juli Fürst zu Erbach-Schönburg mit seiner Frau Marie geb. v. Battenberg

1905 Emil, Prinz von Schönaich-Carolat (Dichter)

1906 Fedora von Holstein, jüngste Schwester der Kaiserin Auguste

1911 Gräfin von Spee mit ihrem Sohn, Admiral Maximilan von Spee

Bad Pyrmont, Kurpark

Palmengarten im Kurpark von Bad Pyrmont. Foto: Manfred Willeke

Bedingt durch den 1. Weltkrieg (1914-1918), finden wir danach keine gekrönten bzw. als solche regierende Häupter mehr in Bad Pyrmont, allerdings weiterhin bedeutende Kurgäste aus Gesellschaft, Politik und Wirtschaft. Dies waren u. a. :

Bad Pyrmont, Am Kurpark

Das ehemalige Gasbadehaus am Kurpark in Bad Pyrmont. Foto: Manfred Willeke

1921 Waldemar, Prinz von Preussens Ehefrau

1926 Komponist Paul Linke aus Berlin. Er dirigierte am 10. Juli ein Abendkonzert im Kurpark

1927 Wolrad, Fürst zu Schaumburg-Lippe mit Ehefrau

1928 Ernst, Herzog von Anhalt-Dessau

1930 Hermine, zweite Ehefrau des ehem. Kaisers Wilhelm II. aus Dorn

1935 Gerhard Hauptmann, Dichter

1947 Sophie, Prinzessin von Hannover geb. Prinzessin von Griechenland

1948 Adelheid, Herzogin zu Sachsen-Meiningen

DIE DÖRFER DER GRAFSCHAFT PYRMONT UND DIE STADTTEILE DER STADT BAD PYRMONT

HAGEN
Im Bereich des Dorfes Hagen gab es mehrere alte Siedlungen. Westlich lag das Dorf Plattgersten, das im 15. Jahrhundert untergegangen ist. Wahrscheinlich ist ein Teil der Einwohner an der Pest gestorben. Die Überlebenden sind dann in die benachbarten Städte gezogen. Wie sich anhand von Funden nachweisen läßt, hat es dort schon vor ca. 4500-1800 vor Christi Geburt eine Besiedlung gegeben.
Ursprungsort des Dorfes Hagen und des Nachbardorfes Eschenbruch ist das nicht mehr existierende Kirchdorf Hiddenhausen. Dieses Dorf war ein Hausenorten, der im 8. Jahrhundert entstanden ist. Im Mittelalter gehörte er zur Grafschaft Schwalenberg, aus der sich nach 1184 die Grafschaft Pyrmont herauslöste. Damit lag das Dorf nunmehr „auf“ der Grenze, zwischen den beiden Grafschaften. Da die Grafenhäuser eng miteinander verwandt waren, gab es zunächst keine Grenzkonflikte. Erst als der junge (Junker) Graf Heinrich von Schwalenberg am 30. April 1350, neben anderen Besitzungen, auch das Kirchdorf Hiddenhausen an den Edelherren Otto zur Lippe verkaufte, wurde die Grenze bedeutender. Nun trennte sie die Herrschaften Pyrmont und Lippe. Bald nach 1350 starb Hiddenhausen aus und fielen wüst. Nur die Kirche, ein Saalbau ohne Turm, überstand die Wüstungsperiode und wurde wohl von einem Klausner betreut. 1466 gehörte die Hälfte des „wüsten“ Dorfes Hiddenhausen dem Grafen Moritz von Pyrmont, die anderen Hälfte dem Edelherren zur Lippe. 1515 kam es erstmals zu Grenzstreitigkeiten zwischen Pyrmont und Lippe. Am 2. August 1517 überließ Graf Friedrich zu Spiegelberg sieben Siedlern Land „auf dem Hiddenhausen“ in seiner Herrschaft Pyrmont. Dadurch sah sich der Edelherren zur Lippe in seinen Rechten gekränkt und es kam zu einem handfesten Grenzstreit, nach dem sich die Pyrmonter Ansiedlung nicht mehr Hiddenhausen, sondern „auf dem Hagen“ nannte. Der Ortsname bezieht sich auf das mit Hecken „eingehägte“ Dorf, das sich so vor Überfällen schützte.
Seit 1519 entstanden auf Lippischer Seite die Siedlungen Hiddensen, Eschenbruch, Klus, und Graben. Es kam immer wieder zu Streitigkeiten zwischen den Pyrmonter und Lippischen Siedlern. 1530 erfahren wir, daß die Hagener die alte Kirche von Hiddenhausen abgerissen und zu „ihrem Pflugland“ gemacht haben. Damit verschwand das Symbol der ursprünglichen Gemeinsamkeit.

 

Hagen, Straße

Hagen, Eichenbrink. Foto: Manfred Willeke

-AUS DER GESCHCIHTE DES DORFES HAGEN
1575 gab es „auf dem Hagen“ acht Abgabepflichtige. / 1618-48 während des 30-jährigen Krieges wurde Hagen besonders schwer in Mitleidenschaft gezogen. Es wird von mehrfachen Überfällen berichtet. 1644 war die Bestellung der Ländereien, wegen der umherziehenden Soldaten so gefährlich, daß die Einwohner Bartold Köster, Dietrich Schelp und Bernd Köster beim Amtmann in Pyrmont die Genehmigung erwirkten, einen Schäfer anzustellen, damit die Ländereien nicht verwilderten. / Bei der Aufstellung der ersten Salbücher 1669, gab es in Hagen 6 Halbmeier, 4 Großkötter und 8 Kleinkötter, die zusammen 470 Morgen Land bewirtschafteten. Da das Land „auf dem Hagen“ nicht so fruchtbar war, ließen sich die Einwohner im 17. und 18. Jahrhundert noch mit verschiedenen weiteren Ländereien der Familien v. Post und v. Kanne (in Lügde) bemeiern (eine Art Erbbaupachte), die z. T. weit weg vom Dorf lagen. / Bei der Aufstellung des zweiten Salbuches 1759, gab es in Hagen 6 Halbmeier, 4 Großkötter, 15 Kleinkötter, 18 Beiwohner (d. h. Mieter) und einen Förster. Einer der Großkötter war u. a. auch als Schulmeister tätig. / 1835-1871 wanderten, wegen der schlechten Verdienstmöglichkeiten „auf dem Hagen“, 33 Einwohner nach Nordamerika aus. / 1837 lebten 343 Einwohner im Dorf. / Seit 1850 wurde Hagen von einem Bürgermeister und Gemeinderäten verwaltet. Es gab einen Gemeindehirten, einen Nachwächter, seit 1922 ein eigenes Standesamt und seit ca. 1851 einen eigenen Friedhof. / 1863 waren in elf Zigarrenfabrikationsbetrieben (Fabrik- und Heimarbeit) 304 Arbeitskräfte beschäftigt. / Da Hagen „auf“ dem Berg lag, gab es seit der Gründung nur fünf Oberflächenteiche zur Wasserversorgung. Frisches Trinkwasser mußte zum Teil von Schulkindern mit Eimern, oder von Landwirten in Jauchetonnen aus dem unterhalb Hagens liegenden Meintebach geholte werden. Erst 1925 bekam Hagen eine Wasserleitung. Im gleichen Jahr wurde das Dorf an die Stromversorgung angeschlossen. / 1914/18 Im ersten Weltkrieg fielen 38 Hagener Einwohner, 3 wurden vermißt. / 1928 Einrichtung eines eigenen Kindergartens. / Seit ca. 1900 wurden Bauplätze in Dorfnähe verkauft und das Dorf vergrößerte sich. / 1939/45 Im 2. Weltkrieg fielen 48 Einwohner aus Hagen, 32 wurden vermißt. / Am 5. April 1945 besetzten die Amerikaner Hagen. / Seit 1947 wurden mehrere Siedlungsgebiete ausgewiesen und Bebauungspläne aufgestellt, um die 319 Flüchtlinge und Vertriebenen unterzubringen, die „auf dem Hagen“ eine neue Heimat gefunden hatten. / Durch die Gemeindeneugliederung zum 1.1.1973, wurde Hagen ein Ortsteil der Stadt Bad Pyrmont.

Hagen, Gaffelbrunnen

Hagen, Gaffelbrunnen. Foto: Manfred Willeke

GAFFELFEST

Neben der Freiwilligen Feuerwehr, dem Schützenverein, der Laienspielschar, dem Turn- und Sportverein, dem Spielmanns- und Musikzug, dem Verkehrsverein und dem Förderverein Hagen, tritt besonders die alte Tradition der Gaffelbrüder hervor. Dieser Nachkarnevalistischer Brauch, vermutlich ursprünglich der Abschied der vielen Maurer, Zimmerleute und anderer Handwerker aus dem Dorf, die zur Arbeit in die „Fremde“ zogen. In einer Genehmigung vom 16. Februar 1860 wird besonders hervorgehoben, daß das Gaffelfest eine „althergebrachte Tradition auf dem Hagen“ ist. Nach alten Unterlagen wurde bereits 1607 „Fastelavend“ im damaligen Hauptort Lügde gefeiert. Karnevalsbräuche gab es auch in Großenberg und Baarsen.

Hagen, Gaffelfest 1968

Hagen, „Die alte Gaffel“. Foto: Stadtarchiv Bad Pyrmont

-DIE EV. KAPELLE „ZUM GUTEN HIRTEN“
Nachdem 1954 in Holzhausen eine eigene Kirche erbaut worden war, zu der die Gemeinde Hagen heute noch gehört, nahm der Wunsch in Hagen auch eine eigenes Gotteshaus zu errichten mehr und mehr zu. Die älteren Einwohner klagten über den langen Weg nach Holzhausen, was die Kirchenvorsteher Fritz Kracht, Willy Feist und Fritz Angermann vom Hagen immer wieder vortrugen. 1959 fand ihr Antrag auf Erbauung eines Gotteshauses „auf dem Hagen“ bei den Holzhäuser Kirchenvorstehern Fritz Drinkuth, Karl Heye, Fritz Ritterbusch, Hilde Knobloch und Pastor Otto Gehör. Noch im gleichen Jahr erhielt der Architekt August Ernst Stuckenbrock den Auftrag, für die Kirchengemeinde Holzhausen einen Entwurf für das geplante Hagener Gotteshaus zu erstellen.

Hagen, Kapelle zum guten Hirten

Hagen, Kapelle „Zum guten Hirten“. Foto: Manfred Willeke

Nachdem das Landeskirchenamt den Bau genehmigt hatte, genehmigte ihn am 15. Oktober 1960 auch der Landkreis. Am Erntedanktag des gleichen Jahres legten Pastor Otto und Superintendent Pellens aus Hameln den Grundstein für das Gotteshaus. Am 1. Juli 1961 konnte bereits Richtfest gefeiert werden. Ausführend waren die Firmen: Wiemann vom Hagen (Maurerarbeiten) / Arbeitsgemeinschaft Linneweber-Greinert vom Hagen (Hauptdach) / Heinrich Tappe (Turm) / Althoff aus Barntrup (Dachdeckerarbeiten) / König aus Hannover (Kupferarbeiten) / Pyrmonter Möbelwerkstätten (Gestühl) / Firma Kinkeldey aus Bad Pyrmont (Beleuchtung).
Am 5. November 1961 beschloß der Kirchenvorstand in Holzhausen, das neu erbaute Hagener Gotteshaus „Kapelle zum guten Hirten“ zu nennen, nachdem das Altarmosaik -gestaltet vom Kunstmaler Siegfried Steeg aus Schwarmstedt-, eine Darstellung des guten Hirten zeigte.
Am 8. Dezember 1961 wurden für das Hagener Gotteshaus drei Glocken im Hessischen Sinn bei der Glockengießerei Rinker gegossen. Im Januar 1962 konnten die Glocken auf den Turm gebracht werden. Die Läutanlage lieferte die Firma Herforder Elektrizitätswerke Voco-Läutmaschinen.
Nach Abschluß aller Bauarbeiten ist die Hagener Kapelle am 2. September 1962 eingeweiht worden.

LÖWENSEN UND FRIEDENSTHAL
Das Dorf Löwensen gehört zu den sogenannten Hausenorten, die im Zuge des Landesausbaus im 8. Jahrhundert entstanden sind. Der erste Namensteil, ursprünglich nicht „Löwen“, sondern „Lavien“ weist auf eine feuchte Niederung, also die Lage an der Emmer hin. Hier in dieser feuchten Emmerniederung (Lavien) nahm das Dorf seinen Anfang. Der erste bzw. Urhof (heute Reitstall) ist zum Schutz vor Überfällen ursprünglich wohl mal von einem Wassergraben (Hessebach oder Emmer) umgeben gewesen. Aus den anfänglichen Holzgebäuden dürfte sich im Laufe des 12. Jahrhunderts ein „festes Haus“ entwickelt haben, von dem leider nichts übrig geblieben ist. 969 wird der damalige Besitzer des Urhofes Löwensen und damit das Dorf erstmals urkundlich erwähnt. Es war ein gewisser „Luitperths zu Löwensen (Luosum)“, dessen Sohn Thiodric als Mönch ins Kloster Corvey eintrat.

Löwensen, Dorfmitte

Löwensen, Unterdorf. Foto: Manfred Willeke

-AUS DER GESCHICHTE DES DORFES LÖWENSEN
1052/76 Bischof Imad von Paderborn genehmigt die Gründung der Pfarrei Oesdorf, der die bisher zur Pfarrei St. Kilian in Lügde zugehörigen Ortschaften Löwensen und Vesper (eine Wüstung in der Nähe des Bad Pyrmonter Bahnhofs) zugeordnet werden. / 1184 bezeichnet Graf Widekind von Schwalenberg das Dorf Löwensen als seinen Eigenbesitz. / Am 3. Mai 1354 verkaufte Johann v. Huckenhausen seine Besitzungen u. a. in Löwensen an das Kloster Marienfeld (bei Harsewinkel/Münsterland). / 1466 finden wir den Urhof von Löwensen bzw. das Dorf in der gräflich Pyrmonter Rechnung erwähnt. / 1546 gab es in Löwensen 12 Häuser, die eine Feuerstelle hatten. Aus jedem dieser Häuser mit einer Feuerstelle, mußte ein ,,Rauchhuhn“ (vom aufsteigenden Rauch so genannt) an die Herrschaft abgeliefert werden. Daneben mußten noch 19 Hühner, 12 Stiegen Eier und 6 Schneeberger abgeliefert werden. / In Löwensen bestand bereits 1575 ein ,,Amtskrug“ (In der Marsch 3), der von Heinrich Loges und seiner Frau Anna Maria Jörns erbaut worden und heute das älteste Haus im Dorf ist. / 1576/77 Im Abgabeverzeichnis dieses Jahres finden wir: Stinen Johann, Arend Weber, Der Gulicher, Johann Kohlemeyer, Bartold Kohlemeyer, Hans Weber, Johann Vinke (bewirtschaftete den Urhof!), Hermann Weber, Ludeke Kohlemeyer, Ostersiek und Der alte Johann, als Einwohner erwähnt. / 1583/84 hatten auch die Einwohner von Löwensen unter den Folgen des sog. „Pyrmonter Erbfolgekrieges“ zu leiden. Gräfin Walburga zu Gleichen-Spiegelberg und Pyrmont kämpfte damals mit Fürstbischof Heinrich von Paderborn um den Besitz der Grafschaft Pyrmont. / Im 30-jährigen Krieg 1618-48 ist das Dorf mehrfach überfallen und ausgeplündert worden. / Die ältesten noch sichtbaren Hausinschriften im Dorf sind: Hohe Stolle 6 „Johan Weber und Magdalena von Artson, Anno 1659“ und Im Unterdorf 3 ,,Hans Riemen und Anna Windel, Anno 1662“. / Als 1669 das erste Salbuch angelegt worden ist, gab es 4 Vollmeier, 4 Halbmeier, 4 Großkötter und 12 Kleinkötter in Löwensen. / Im Salbuch von 1759 werden 4 Vollmeier, 2 Halbmeier, 7 Großkötter und 16 Kleinkötter erwähnt. / 1780 Löwensen hat 233 Einwohner. / 1800 In Löwensen gibt es 36 Häuser. / 1820 wird eine neue Schule in Löwensen erbaut. Bereits 1669 wird im Salbuch eine Schule erwähnt. / 1842 ist der Männergesangverein „Liedertafel“ gegründet worden. / Seit 1850 wurde Löwensen von einem Bürgermeister und Gemeinderäten verwaltet. / 1855 gründete Franz Wackermann auf dem Finkeschen Hof (Urhof des Dorfes) eine Weberei, die unter verschiedenen Besitzern bis 1934 bestanden hat. Danach wurde dort eine Näherei und von 1946-1972 wieder eine Weberei betrieben. Daneben gab es zeitweise auch eine Gerberei. 1977 richtete der Pyrmonter Reiterverein die Gebäude als „Reitsportzentrum Löwensen“ her. / Vom 19. bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts wurden in Löwensen Zigarren hergestellt. / Von 1860 bis 1964 bestand das Gasthaus „Mennecke-Habenicht“, seit 1963 der Lindenkrug (Knappwurst, dann Nacke). / 1896 gründete die Familie Knieriem das Gasthaus ,,Hohe Stolle“, das 1909 abgebrannte und wieder neu errichtet worden ist. Seit 1926 diente es als „Westfälisches Genesungsheim“ des Kreises Lennep. Von 1940-1948 war es Lazarett, z. T. Nebenstelle des Lazaretts „St. Maria Friedensthal“. 1950 erwarb das Land Niedersachsen das Haus, baute es um und richtete es als Müttergenesungsheim (46 Betten) ein -1952 eröffnet-. Heute ist das Haus, als „Wohnheim Löwensen“, das Zuhause für 55 behinderte Bewohner. 2008 ist es erweitert worden. / 1914/18 Im 1. Weltkrieg fielen 26 Löwensener Einwohner, 1 wurde vermißt. / 1939/45 Im 2. Weltkrieg fielen 45 Einwohner aus Löwensen, 5 wurden vermißt. / Am 5. April 1945 besetzten die Amerikaner Löwensen. / Durch die Gemeindeneugliederung zum 1.1.1973, wurde Löwensen ein Ortsteil der Stadt Bad Pyrmont.

Friedensthal um 1800, Stich

Friedensthal, alter Stich aus dem Jahre 1830. Orig.: Stadtarchiv Bad Pyrmont

-AUS DER GESCHICHTE DER SIEDLUNG FRIEDENSTHAL
1648 entstand durch George Fox die Gemeinschaft „Kinder des Lichtes“, das Quäkertum. Die Quäker praktizierten die auf christlicher Haltung beruhenden Grundsätze: Wahrhaftigkeit, Ehrlichkeit, Anspruchslosigkeit, Verweigerung der Begrüßung durch Lüften des Hutes, Vermeidung jeder Mitwirkung bei kriegerischen Handlungen, Abweisung aller Verpflichtung zur Zahlung von Abgaben an die Kirche, Bekämpfung der Trunksucht und Streben nach einfacher Lebenshaltung.
1790 schlossen sich in Bad Pyrmont zehn Männer und drei Frauen zur ersten religiösen Gemeinschaft der Freunde/Quäker zusammen. Der Fürst zu Waldeck und Pyrmont gewährte ihnen 1791 Religionsfreiheit (Toleranzakte) und schenkte ihnen am 28. August 1792 das bewaldete Tal hinter dem Königsberg, das die Quäker seit 1796 „Friedensthal“ nannten. Leiter der Quäkergemeinde war der 1757 in Bad Pyrmont geborene Ludwig Seebohm, dessen Nachkommin Inge Seebohm 2013 als letzte Namensträgerin in Bad Pyrmont verstorben ist.
Die Siedlung Friedensthal entwickelte sich sehr gut. Die Quäker gründeten eine Messerfabrik, eine Wollhandlung, eine Leinenspinnerei, eine Papierfabrik und eine Buchbinderei. 1805 standen schon acht Häuser, in denen 80 Einwohner lebten. Viele Kurgäste aus dem Bade Pyrmont besuchten Friedensthal, darunter auch die bekannte Königin Louise von Preußen.
Die Zahl der Quäker ging in der Mitte des 19. Jahrhunderts zurück und die Häuser wurden nach und nach verkauft. 1870 starb die letzte Quäkerin in Friedensthal. Heute gibt es noch eine Quäkergemeinde in Bad Pyrmont.

Friedensthal, Haus St. Maria

St. Maria Friedensthal. Foto: Manfred Willeke

-ST. MARIA FRIEDENSTHAL
1917 besuchte die Generaloberin der Kongregation der Franziskanerinnen vom hl. Martyrer Georg zu Thuine (Emsland) ihre Niederlassung (Georgs-Villa, später Krankenhaus St. Georg) in Bad Pyrmont. Sie entschloß sich, nachdem sie das leer stehende Hotel „Königin Emma“ in Friedensthal besichtigt hatte, dies 1918 zu kaufen. Nach einem Umbau wurde darin eine Pension und Haushaltsschule eingerichtet, die den Namen St. Maria-Friedensthal“ erhielt. 1942 ist das Haus als Lazarett eingerichtet worden und konnte erst 1949 wieder in eine Pension mit angeschlossener Haushaltsschule umgewandelt werden. 1986 wurde neben dem alten Haus ein Neubau errichtet. Das alte Haus ist 1989 abgerissen worden. Im neuen Haus „St. Maria-Friedensthal“ ist am 2. Februar 2000 das Hospiz „Mutter Anselma“ eröffnet worden, in dem Schwerstkranke Aufnahme finden.

THAL
Das Dorf Thal entwickelte sich neben dem vermutlich im 7. oder 8. Jahrhundert gegründeten sächsischen Guts/Herrenhof. Bis heute haben sich die Umfassungsmauern dieses alten Guts/ Herrenhofes erhalten, der aus einem turmartigen Wohngebäude (einer sog. Steinkiste), einer Kapelle und einem vorgelagertem Wirtschafthof bestanden hat. Die erste urkundliche Erwähnung des Dorfes Thal findet sich in einer Urkunde vom 21. Januar 1259, in der auch Großen- Kleinenberg und Huckenhausen bei Holzhausen erwähnt werden. Als Zeuge des Grafen Gottschalck von Pyrmont wird darin u. a. der Ritter Johannes von Thal erwähnt, der sich nach seinem Herkunftsort nannte. Für den Ritter Johannes von Thal war es ein Aufstieg, von seinem Guts/Herrenhof in Thal in das Gefolge des Grafen von Pyrmont zu wechseln. Dadurch gewann er an Bedeutung und Ansehen. Seinen Herrenhof dürfte er damals an einen Verwalter verpachtet haben, der als größter Bauer im Dorf (Vollmeier) die Landwirtschaft führte. Leider sind uns aus der frühen Zeit die Namen der Verwalter/Meier nicht mehr bekannt.
Im 14. Jahrhundert dürfte die Familie Trope aus Lügde, ursprünglich Ritter aus dem Umkreis der Edelherren von Homburg, die Verwaltung des Herrenhofes in Thal inne gehabt haben. Sie erwarb vom Guts/Herrenhof damals wahrscheinlich den östlich des Dorfes gelegenen Berg zwischen Thal und der Dringenauer Mühle, der bis heute „Tropen Berg“ heißt und erst nach 1845 von der Familie verkauft worden ist.

Thal an der Emmer

Thal vom Fluss Emmer aus gesehen. Foto: Manfred Willeke

-AUS DER GESCHICHTE DES DORFES THAL
1276-1284 zerstörte Edelherr Simon zur Lippe die Burg Pyrmont und eignete sich in der Grafschaft Pyrmont neben den beiden herrschaftlichen Meierhöfen in Oesdorf, das Kirchenlehen, den dem Guts/Herrenhof vorgelagerten Wirtschaftshof und andere Besitzungen in Thal an. Neben den Grafen zur Lippe besaßen auch die Herren v. Wettberg, v. Friesenhausen, die Nachfolger der Lügder Ritterfamilie v. Rebock -zunächst v. Wriesberg, dann v. Kerßenbrock zu Barntrup- und die Grafen v. d. Schulenburg Zehnteneinnahmen in Thal. / 1354 Johann v. Huckenhausen verkauft eine Rente aus seiner Mühle in Thal. / 1382 Heymann v. Everstein verpfändet seinen Meierhof in Thal. / Im Gegensatz zu den Pyrmonter Bergdörfern, die bedingt durch die Pest im 14. Jahrhundert ausstarben und wüst fielen, blieb Thal durchgängig besiedelt. Die Thaler begruben ihre Toten neben der Kapelle, die zum Guts/Herrenhof gehörte. Sie wird 1430/80 im Archidiakonatsverzeichnis von Steinheim erwähnt, war aber keine eigenständige Pfarrkirche. 1611 war sie so baufällig, daß die Thaler fast nur noch die Kirche in Oesdorf besuchten. Unbestätigten Nachrichten nach, soll Thal bereits 1601 nach Oesdorf eingepfarrt worden sein. / 1486 Edelherr Bernhard zur Lippe belehnt Idel v. Kanne zu Lügde mit Land zu Thal. / 1543/46 Aus Thal müssen 27 Rauchhühner abgeliefert werden, aus jedem Haus mit einer Feuerstelle eines. / 1576/77 In Thal gab es 28 Abgabepflichtige. / 1583/84 Im Zuge des Erbfolgekrieges zwischen Gräfin Walburga zu Gleichen-Spiegelberg und Pyrmont und dem Fürstbischof Heinrich von Paderborn, kommt es auch zu Schäden in Thal. / Im 30-jährigen Krieg 1618-48 wird Thal mehrfach überfallen. / Bei der Aufstellung des ersten Salbuches 1669, gab es in Thal 4 Vollmeier, 5 Halbmeier, 12 Großkötter, 15 Mittelkötter und 24 Kleinkötter / 1720 In Thal leben 150 Einwohner. / 1759 Im zweiten Salbuch sind 4 Vollmeier, 5 Halbmeier, 8 Großkötter, 8 Mittelkötter und 13 Kleinkötter verzeichnet. / 1780 leben in Thal 86 Familien, es gibt 59 Häuser. / 1840 Thal hat 59 Häuser. / Seit 1850 wurde Thal von einem Bürgermeister und Gemeinderat verwaltet. / 1902/03 Bau der steinernen Emmerbrücke in Thal (1987 saniert). /

Thal, Emmerbrücke

Thal, Emmerbrücke. Foto: Manfred Willeke

1914/18 Im ersten Weltkrieg sind 15 Einwohner aus Thal gefallen, 2 vermißt und 4 an den Kriegsfolgen verstorben. / 1939/45 Im 2. Weltkrieg sind aus Thal 22 Einwohner gefallen, 4 vermißt oder in Gefangenschaft verstorben. / Am 5. April 1945 besetzten die Amerikaner Thal. / Durch die Gemeindeneugliederung zum 1.1.1973, wurde Thal ein Ortsteil der Stadt Bad Pyrmont.

NEERSEN
Neersen, ursprünglich Niederhausen, nach seiner Lage an einer feuchten Talschlucht benannt, ist ein sogenannter Hausenort und im 8. Jahrhundert gegründet worden. 986 wird das Dorf erstmals urkundlich in den Registern des Kloster Corvey erwähnt, worauf schon Dr. Schütte in seiner Veröffentlichung zu den Besitzregistern/Traditionen des Klosters Corvey hingewiesen hat, was Dr. Reiche vom Staatsarchiv Münster 2006 bestätigte. Damals schenkte Thiadulf, für seine Schwester Aellan, dem Kloster Corvey in Nathireshuß = Neersen ein Journal, d. h. eine an einem bestimmten Tag fällige Abgabe von 20 Malter Weizen, 24 Malter Hafer, 2 Schweinen und einem Schaf jährlich, mit 50 Joch Land und einer Hörigenfamilie.
Neersen lag im 13. Jahrhundert im Machtbereich der Grafen von Everstein. Die Grafen hatten seit nachweislich 1241 Besitz im Alt- und Kirchort Bergen bei Ottenstein. Wann genau sie Neersen bzw. ob vielleicht von der dort begüterten Familie v. Haddenhusen, den Grafen von Schwalenberg oder anderen Vorbesitzern erworben haben, ist heute leider nicht mehr feststellbar.
Um 1300 begann ein langsamer Niedergang. Dieser wurde von der Klimaverschlechterung (kleine Eiszeit) und der seit 1347 auftretenden Pest begünstigt. Die Bergdörfer Neersen, Baarsen und Bruwen (Großenberg) starben nach und nach aus. Überlebende Einwohner verließen ihre Dörfer und zogen in nahegelegene Orte, wie in den Flecken Ottenstein, der 1312/13 neben der neu erbauten Burg (Graf Otto von Eversteins Haus= Ottos Steinhaus) entstandenen ist, oder aber in die Stadt Lügde, wo sie sich als Bürger niederließen und den Namen ihres Herkunftsortes als Hausnamen führten. Das Dorf Neersen fiel wüst.

Neersen, Ortsansicht

Neersen, historische Ansicht um 1880. Foto: Stadtarchiv Bad Pyrmont

-AUS DER GESCHICHTE DES DORFES NEERSEN
Unter der Regentschaft von Gräfin Margarethe von Pyrmont begann 1496 die erfolgreichen Wiederbesiedlung des wüsten Dorfes Neersen. Damals siedelten sich sieben Siedler um die verfallene Kirche, nahe des „Wilken Brunnens“ an. /

Neersen, Dorfstraße

Neersen, ursprünglicher Siedlungskern aus der Zeit um 1496. Foto: Manfred Willeke

1543/46 Neersen hat 47 Häuser. / 1558 Neersen und Baarsen gehören durch die Heirat des Grafen Hermann Simon zur Lippe mit Gräfin Ursula zu Spielgeberg und Pyrmont bzw. die darauf folgende Belehnung des Herzogs von Braunschweig, als Miteigentum auch den regierenden Grafen zur Lippe. 1598 mußten die Grafen von Gleichen-Spiegelberg und Pyrmont das Miteigentum der Grafen zur Lippe an den Dörfern Neersen und Baarsen von denselben ablösen/kaufen. / Im 30-jährigen Krieg 1618-1648 sind alle Bergdörfer stark in Mitleidenschaft gezogen worden. 1634 machten z. B. fortwährende Plünderungen und Kontributionslieferungen eine dauerhafte Bestellung der Ländereien unmöglich und führten zur völligen Verarmung. Bei einem Überfall wurde u. a. auch die Schule des Dorfes Neersen geplündert. Wie alle anderen Einwohner, konnte auch Pastor Behm in Neersen die Pfarrländereien nicht mehr bestellen. Die Kirche war 1644 eine Ruine ohne Türen, Fenster und Dach. Am Ende des 30-jährigen Krieges 1648 hatte Neersen nur mehr 18 Höfe, von denen 16 „wüst“ lagen / Nach der Aufstellung des ersten Salbuches 1669, gab es 42 Höfe in Neersen. / 1686 Neersen hat 45 Häuser. / 1720 leben 179 Einwohner im Dorf. Es gibt 12 Voll- und Halbmeierhöfe, 6 Großkötter, 28 Kleinkötter und 26 Häuslinge. / 1762 Während des 7-jährigen Krieges stieg die „Brotnot aufs höchste“. Es gab noch keinen Kartoffelanbau, so daß Brot Hauptnahrungsmittel war. Da die Kriegsvölker das Getreide auf den Feldern ausgedroschen hatten, mußte von Eicheln Brot gebacken und Laub von den Hecken gekocht werden. / 1767 waren nach einer längeren Dürrezeit, alle Brunnen der Bergdörfer ausgetrocknet. Wasser mußte aus dem Fluß Emmer im Tal herbeigeschafft werden. / 1818 wurde die Zigarrenfabrik Schäfer in Neersen gegründet. Sie bestand bis 1900 und ist dann nach Siegburg verlegt worden. / 1838 verstarb in Neersen der 33 Jahre tätige Richter (nach heutigem Verständnis Vorsteher und Schiedsmann) Friedrich W. Stöcker. / Im 19. Jahrhundert begannen die Menschen auszuwandern. Sie suchten in der Ferne das, was sie zu Hause nicht mehr hatten. Ein gutes Auskommen und Arbeit. Viele zogen in die größeren Städte nach Hannover und Hamburg. Ein großer Teil wanderte nach Nordamerika aus. / Seit 1850 wurde Neersen von einem Bürgermeister und Gemeinderäten verwaltet. / 1853 besuchte Fürst Georg Victor zu Waldeck und Pyrmont mit Prinz Wolrad die Bergdörfer. In Neersen wurde er mit Gesang vor dem Pfarrhaus begrüßt und hielt sich eine Weile in demselben auf. / 1869 beschloß der Gemeinderat, den jährlichen Kram- und Viehmarkt abzuschaffen, der lange Jahre einer der Höhepunkte im Dorfleben war. / Im Krieg 1870/71 fiel ein Einwohner aus Neersen, einer wurde vermißt. / 1878 Gründung des Schützenvereins. / 1914/18 Im 1. Weltkrieg fielen aus Neersen 20 Einwohner, 3 wurden vermißt. / 1922 wurde Neersen an das Stromnetz angeschlossen. / 1929/30 wurde die erste Wasserleitung verlegt. / 1932 Neubau des Schulhauses. / 1943 fielen Brandbomben in der Feldmark zwischen Neersen und Baarsen / Im 2. Weltkrieg 1939-1945 fielen 19 Einwohner aus Neersen, 9 wurden vermißt. Zwei weitere Gefallene aus dem Kirchspiel sind ohne Ortsangabe. / Am 5. April 1945 besetzten die Amerikaner Neersen. / 1946 kamen vielen Vertriebene aus Schlesien nach Neersen. Die Einwohnerzahl stieg kurzfristig auf über 500. / 1950 lebten noch 139 Heimatvertriebene in Neersen. / 1962 schlossen sich Neersen, Eichenborn, Kleinenberg und Großenberg zu einem Kassenverband zusammen, durch den die Dörfer höhere Schlüsselzuweisungen erhielten. / 1971 Gründung des Spielkreises, der in der ehemaligen Schule eingerichtet wurde. / Durch die Gemeindeneugliederung zum 1.1.1973, wurde Neersen ein Ortsteil der Stadt Bad Pyrmont. / 1986 Planungsbeginn der Dorferneuerung in Neersen. / 1991 Neersen ist an die Kanalisation der Stadt Bad Pyrmont angeschlossen worden. / 2008 Feier des Rapsblütenfestes in Neersen / 2013 1027-jähriges Bestehen des Dorfes und 750-jähriges Bestehen der Kirche/Pfarrei Neersen.

-DIE EVANGELISCH LUTH. PAULUSKIRCHE NEERSEN
Als Gründer der Kirche/Pfarrei in Neersen können sicher die Grafen von Everstein angesehen werden. Zunächst war Neersen eine Filialkirche der Kirche in Bergen (ein später wüst gefallener Ort bei Ottenstein). Die Gründung dürfte zwischen 1241-1264 erfolgt sein. Den Grund für die Gründung bzw. Stiftung der Kirche/Pfarrei in Neersen überliefert uns eine alte Sage. Danach soll an der an Stelle wo heute die Kirche steht, ein wundertätiges Marienbildnis gefunden worden sein. Dieser Fund hat vermutlich eine regionale Wallfahrtsbewegung ausgelöst, die im Mittelalter häufig waren. Das erste Patrozinium der Kirche dürfte demnach „St. Marien“ gewesen sein.
Die Kirche in Neersen scheint sich bald nach ihrer Gründung von der Mutterkirche in Bergen gelöst und eine eigenständige Pfarrei geworden zu sein. 1263 finden wir, in einer Schenkungsurkunde des gräflichen Ehepaares Hermann und Hedwig von Everstein ans Kloster Falkenhagen, bereits einen Pfarrer „D(o)m(inus) Didrico de Nedersen“ erwähnt.
Die Pfarrei gehörte damals, wie sich aus einer Urkunde vom 1. Dezember 1276 erschließt, zum Bistum Paderborn. Im letzten Drittel des 13. Jahrhunderts hat vermutlich das Kloster Falkenhagen die Verwaltung der Kirche/Pfarrei übernommen, deren Pröpste dort nun als Geistliche tätig waren. Im 14. Jahrhundert starben die Bergdörfer aus und wurden wüst. Die Kirche in Neersen, im Gegensatz zu den bäuerlichen Gehöften aus Stein erbaut, überdauerte diesen Wüstungsprozeß und soll zunächst noch als (Marien)Wallfahrtskirche genutzt worden sein.

Neersen, Kirche 4

Der Kirchturm der Pauluskirche in Neersen stammt vermutlich noch aus dem 13. Jahrhundert. Foto: Manfred Willeke

1496 begann unter der Regentschaft der Witwe des 1494 verstorbenen Grafen Moritz von Pyrmont, Gräfin Margarethe von Nassau, die Wiederbesiedlung von Neersen. Die inzwischen vermutlich in Verfall geratene Kirche ist damals notdürftig wieder hergerichtet worden. Bis 1534 übernahm dann der Pfarrer von Oesdorf, Heinrich Hoppe, die Betreuung der Kirche in Neersen. Ihm folgte als Pfarrer der inzwischen wieder selbständigen Pfarrei Ciliax Lutherding, der 1539 verstorben ist. 1536 ist das aus dem Mittelalter stammende und nur notdürftig wieder hergerichtete Kirchenschiff in Neersen abgebrochen und, unter der Herrschaft der Grafen zu Spiegelberg und Pyrmont neu erbaut worden. Der erste evangelische Geistliche in Neersen war Pastor Heinrich Nebelsiek, der 1555 die Tochter des Pyrmonter Amtmannes und Kanzlers Johann Seiler heiratete. / 1579 ist der Kirchturm, der noch aus der Erbauungszeit der Kirche im 13. Jahrhundert stammte, grundlegend erneuert worden. / Im 30-jährigen Krieg 1618-48 war Neersen mal evangelisch, dann wieder katholisch. 1644 war die Kirche eine Ruine ohne Türen, Fenster und Dach. / 1669 Wiederaufbau der Kirche, die gleichzeitig um eine Fensterlänge vergrößert wurde. /

Neersen, Kirche 3

Pauluskirche Neersen. Foto: Manfred Willeke

Seit 1707(45) wurde die Kirche in barocker Form vom Tischler Johann Ernst Mansen aus Baarsen neu eingerichtet. Diese Einrichtung ist bis heute erhalten geblieben. / 1726/27 Unterhalb der Kirche wird ein neuer Friedhof eingerichtet, nachdem Jahrhunderte hindurch die Toten des gesamten Kirchspiels um die Kirche begraben worden waren. Die Friedhöfe in den einzelnen Dörfern sind erst im 19./20. Jahrhundert entstanden. / 1800 Neubau des Pfarrhauses. / 1805 Die Westwand des Kirchturms ist eingestürzt und mußte neu errichtet werden. / 1861 Orgelbauer Jakob Vogt aus Waldeck baut die erste Orgel ein. Bisher mußte der Lehrer den Ton für die Lieder ansingen. / 1917 Die Westwand des Kirchturms ist erneut eingestürzt. Sie wurde daraufhin zunächst notdürftig gesichert und ist 1919 neu aufgemauert worden. / 1934 Die Kirchengemeinde löst sich von der Waldecker Landeskirche und schließt sich der Hannoverschen Landeskirche an. / 1936 Die Kirchengemeinde feiert das 400. Jubiläum der Neuerbauung des Kirchschiffes 1536. / 1958 erfolgte eine grundlegende Renovierung der gesamten Kirche. / 1970 Das schadhafte Schieferdach des Kirchturms ist durch eine Kupferabdeckung ersetzt worden. / 1986 Die Kirchengemeinde feiert das 450. Jubiläum der Neuerbauung des Kirchenschiffes 1536. Da das ursprüngliche Patrozinium (St. Marien) aus dem Mittelalter nicht fortgeführt worden war, erhielt die Kirche anläßlich dieses Jubiläums den Namen „Ev. luth. Pauluskirche Neersen“. / 2006 Einbau einer neuen Orgel durch die Orgelbaufirma Elmar Krawinkel aus Trendelburg. / 2013 Bezogen auf die erste urkundliche Erwähnung eines Pfarrers in Neersen 1263, feierte die Kirchengemeinde das 750-jähriges Bestehen der Kirche/Pfarrei.

KLEINENBERG
Im 11./12. Jahrhundert gehörte das Gebiet zum Herrschaftsbereich der Grafen von Schwalenberg. In dieser Zeit ist in Kleinenberg, wie aufgefundene Fundamentrest beim Hause An der Zehntscheune Nr. 5 belegen, auf der windabgewandten Seite ein Guts/Herrenhof entstanden, der sich einst Bruwen nannte. Auf den Feldern desselben ist wohl hauptsächlich Hopfen zum (Bier)Brauen=Bruwen angebaut worden. Der Sage nach, war der Guts/Herrenhof (Burg) einstmals von einem Raubritter bewohnt der vorbeiziehende Händler ausraubte, Geiseln nahm und Lösegeld erpreßte. Eine andere Sage berichtet, daß die Frau des Guts/Herrenhofbesitzers einmal Zwillinge bekam, die über die Erbfolge in Streit gerieten. Deshalb wurde der Hof in Kleinen- und Großenbruwen bzw. Kleinen- und Großen(bruder)berg geteilt. Ob es wirklich so war, läßt sich heute leider nicht mehr feststellen. Ein Körnchen Wahrheit mag in der Überlieferung aber stecken.
Im Rahmen des weiteren Landesausbaus im 13. Jahrhundert, ist im Bereich des heutigen Dorfes Großenberg ein Vorwerk, d. h. ein vorgelagerter, vermutlich befestigter Hof entstanden. Von dort aus wurde der Landbesitz durch Rodungen vergrößert.
Die erste urkundliche Erwähnung des Guts/Herrenhofes Bruwen findet sich in einer Urkunde vom 21. Januar 1259. Darin wird der Ritter Bertram von=aus Bruwen, im Gefolge des Grafen Gottschalck von Pyrmont erwähnt.
Im 14. Jahrhundert starben die Bergdörfer, bedingt durch das Auftreten der Pest und die Klima- verschlechterung (kleine Eiszeit) fast ganz aus. Nur der ursprüngliche Guts/Herrenhof Bruwen blieb bestehen. Der damalige Hofbesitzer war Heymann v. Everstein (der auch Besitz in Thal hatte). Ihm folgte 1423 Arnold v. Wettberg. 1437 versetzte dieser den Guts/Herrenhof Bruwen an Wilcken v. Klencken, der gerade in dieser Zeit die Güter in Hämelschenburg erworben hatte. Rund zehn Jahre später fiel der Herrenhof an die v. Wettberg zurück. Diese hatten ihren Hauptsitz damals in Bad Münder, wo sich bis heute der v. Wettbergsche Hof erhalten hat. Den Guts/Herrenhof Bruwen haben sie nie selber bewohnt bzw. bewirtschaftet, sondern ließen ihn von ihren Lügder Verwandten, der Familie v. Post verwalten. 1549 verkauften sie den Guts/Herrenhof an die Grafen zu Spiegelberg und Pyrmont. Nach einem Bericht des Pyrmonter Kanzlers Johann Seiler, wurde der Guts/Herrenhof damals von einem Vogt verwaltet. Bewirtschaftet wurde es von einem Meier=Bauern mit: einer Obermeyersche und Meyersche, d. h. der Ehefrauen des Meyers=Bauern, einem Hofmeister, zwei Rinderhirten, zwei Mägden und einem Knecht. Kanzler Johann Seiler ließ, für den minderjährigen Grafen Philipp zu Spiegelberg und Pyrmont, den alten Guts/Herrenhof als 1549 zu einem gräflichen Vorwerk ausbauen und einen Schafstall, ein Schweinehaus und ein „Newes Haus“, d. heißt ein Wohngebäude, errichten. Vögte und Verwalter des gräflichen Vorwerks waren danach: Hermann Hollmann, 1543-83 / Hans von der Heide, 1617-1629 und Christoph Judenherzog, 1629-1639. Der letzte Vogt und Verwalter, Monsieur Schiller zu Immighausen (1639-46), ließ das Vorwerk durch einen Meier, den Kleinenberger Bauern Tieleke Bödecker bewirtschaften, wonach das gräfliche Vorwerk dann nur noch „Meierei“ genannt wurde.
1650/61 (bis 1829) pachteten die Einwohner aller Bergdörfer das gräfliche Vorwerk Bruwen, die sogenannte Meierei gemeinsam. So konnte sich auch das Dorf Kleinenberg weiter entwickeln. 1686 gehörten zur Meierei noch eine Wohnhaus, eine Zehntscheune, ein Kornhaus und ein Schafstall, die allerdings nach und nach verfielen. Nur die Zehntscheune ist 1793 neu errichtet worden. Die Ländereien sind im Laufe der Zeit aufgeteilt und verkauft worden.

Kleinenberg, Zehntscheune

Kleinenberg, 1986 abgebrannte Zehntscheune. Foto: Stadtarchiv Bad Pyrmont

-AUS DER GESCHICHTE DES DORFES KLEINENBERG
Neben dem alten Guts/ Herrenhof gab es 1543 drei kleine Kötterhöfe, das eigentliche Urdorf Kleinenberg. Sie wurden von Johann Wietbrauck, Thielen Langen und Hans von der Heide bewirtschaftet. Die Entwicklung des Dorfes Kleinenberg war, weil fast alles Land zur Meierei gehörte, zunächst etwas schwierig. Viele Einwohner beschäftigten sich, auch wegen der z. T. schlechten Böden bzw. den dadurch bedingten geringeren Ernteerträgen, mit der Strumpfstrickerei. / 1583/84 Während des Erbfolgekrieg zwischen Gräfin Walburg von Gleichen-Spiegelberg und Pyrmont und dem Fürstbischof Heinrich von Paderborn, wurden dem Hofbesitzer Hans von der Heide in Kleinenberg sechs Hühner gestohlen. / Im 30-jährigen Krieg 1618-48 wurde Kleinenberg vollkommen ausgeplündert. Die Einwohner waren so verarmt, daß sie sich außerhalb Arbeit suchen mußten. / 1772 Fünf Kleinenberger Einwohner bewirtschaften Land auf dem Gebiet der benachbarten Stadt Lügde, das der dortigen Schledenhagener Gesellschaft gehört, an die sie Abgaben zahlen müssen. / In der Zeit von 1779-1850 wurden 13 neue Häuser in Kleinenberg erbaut. Zwei der Besitzer waren als Strumpfhändler tätig und verstarben auf Handelsreisen: 1835 Heinrich Georg von der Heide in Oldenburg und 1868 Georg von der Heide in Paretz bei Potsdamm. / Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts wanderten viele Einwohner aus Kleinenberg nach Nordamerika aus. / Seit 1850 wurde Kleinenberg von einem Bürgermeister und Gemeinderat verwaltet. / 1853 besuchte Fürst Georg Victor zu Waldeck und Pyrmont mit seinem Sohn Kleinenberg. / 1857 errichtete die Gemeinde Kleinenberg ein eigenes Schulgebäude, nachdem die Kinder bisher in Großenberg zu Schule gegangen waren. / 1862 wurde ein Spritzen(Feuerwehr)haus erbaut. / 1880 gab es in Kleinenberg 39 Häuser, 226 Einwohner, 12 Pferde, 68 Rinder, 159 Schafe, 68 Schweine, 34 Ziegen und 12 Bienenvölker. / 1886 wurde eine Poststelle in Kleinenberg eingerichtet, die bis 1993 -85 Jahre lang- bestanden hat. Ursprünglich sind von dieser Poststelle aus Baarsen, Eichenborn, Großenberg, die Butze bei Ratsiek, Finkenkamp und der Lüdenberg postalisch versorgt worden. / 1898 wurde der Kriegerverein Großen- und Kleinenberg gegründet. / 1913 Einweihung des „Kaiser-Wilhelm-Gedenksteins“ zwischen Kleinen- und Großenberg. / 1914/18 Im 1. Weltkrieg fielen 11 Einwohner aus Kleinenberg, 4 wurde vermißt. / 1923 ist Kleinenberg ans Stromnetz, 1938 an die Bergwasserleitung angeschlossen worden. / 1946 hatte Kleinenberg 255 Einwohner, darunter viele Vertriebene und Flüchtlinge. / Der Sohn des aus dem Kleinenberg Hof Käsemann stammenden und in Gelsenkirchen tätigen Lehrers Käsemann, Ernst Käsemann, war zunächst Pfarrer der „bekennenden Kirche“ in Gelsenkirche und ist 1937 wegen Parteinahme für die Bergleute im Ruhrgebiet verhaftet worden. Er war nach dem 2. Weltkrieg als Professor für das Neue Testament in Mainz, dann in Göttingen und schließlich in Tübingen tätig. / 1939/45 Im 2. Weltkrieg fielen 12 Einwohner aus Kleinenberg. / Am 5. April 1945 besetzten die Amerikaner Kleinenberg. / 1967 gab es in Kleinenberg: 1 Schlosserei mit Tankstelle, 1 Schuhmachermeister, 1 Schmiedemeister, 1 Bäckermeister, 1 Gemischtwarenhändler, 1 Gasthaus, 1 Postamt, 1 Schule. / 1967/68 Bau des Flughafens Kleinenberg. /

29 Kleinenberg, Ansicht

Kleinenberg, Ansicht um 1980. Foto: Stadtarchiv Bad Pyrmont

Durch die Gemeindeneugliederung zum 1.1.1973, wurde Kleinenberg ein Ortsteil der Stadt Bad Pyrmont. / 1974 ist in Kleinenberg das Spielkreisgebäude für Kleinen- und Großenberg erbaut worden. / 1976-1978 Bau einer Friedhofskapelle. / Am 20. Mai 1986 brannte die alte Zehntscheune aus dem Jahre 1793 ab, die letzte Erinnerung an den einstigen Guts/Herrenhof bzw. das spätere gräfliche Vorwerk Bruwen. An der Stelle der abgebrannten Zehntscheune entstand 1988, in Eigenleistung der Dorfgemeinschaft, ein Dorfgemeinschaftshaus. / 1998 Erweiterung des Dorfgemeinschaftshauses. / 2001 Erweiterung des Feuerwehrhauses. / 2009 Jubiläumsfeier der ersten urkundlichen Erwähnung des Dorfes vor 750 Jahren.

GROSSENBERG
Im Rahmen des weiteren Landesausbaus im 13. Jahrhundert, ist im Bereich des heutigen Dorfes Großenberg ein Vorwerk, d. h. ein vorgelagerter, vermutlich befestigter Hof entstanden. Dieses Vorwerk dürfte im Umkreis des bis heute erhalten gebliebenen mittelalterlichen Brunnens bei Karl Reese (Großenberg Nr. 15) gelegen haben. Daneben entstanden nach und nach mehrere kleine Höfe, die das alte Dorf Bruwen/Großenberg bildeten. Nachdem 1347 die Pest Europa erreicht hatte und sich das Klima verschlechterte (kleine Eiszeit), starb vermutlich der größte Teil der Dorfbewohner und das Dorf fiel wüst. Die wenigen Überlebenden zogen in die nahe Stadt Lügde, wo sie sich nach ihrer Herkunft „vom Berge“ nannten. 1409 finden wir als Bürger der Stadt Lügde Gerd vom Berge erwähnt, der der Kirche Land in den Schleden unterhalb von Großenberg verkaufte. Eine andere Nachkommin dieser Familie war Margarethe vom Berge, die 1630 als Mädchenschulmeisterin in Lügde lebte.

Großenberg, Dorfkern

Großenberg, historische Ansicht um 1920. Foto: Stadtarchiv Bad Pyrmont

-AUS DER GESCHICHTE DES DORFES GROSSENBERG
Großenberg ist seit 1535 neu besiedelt worden. 1541 wird als erster bekannter Einwohner Curdt Steinbrinck erwähnt. / 1543 hatte Großenberg 23 Häuser. / 1583/84 Während des Erbfolgekrieg zwischen Gräfin Walburg von Gleichen-Spiegelberg und Pyrmont und dem Fürstbischof von Paderborn, wurde dem Kleinenberger Vogt Hermann Holmann in Großenberg eine Seite Speck gestohlen. / Im 30-jährigen Krieg 1618-48 wurden die Einwohner Großenbergs 1629 ausgeplündert, so daß sie von der Herrschaft 15 Malter Hafer erhielten, um überhaupt ihre Felder bestellten zu können. Einige der Einwohner waren so verarmt, daß sie sich, wie die Brüder Sauerfink 1631, als Soldaten anwerben ließen. 1632 und 1640 brannten mehrere Höfe in Großenberg ab. 1643 wurde Christoph von der Heide „auf seinem Acker“ überfallen und ihm die Pferde geraubt. Am Ende des 30-jährigen Krieges 1648, lagen von den 39 Großenberger Höfen 14 wüst, das heißt sie wurden nicht mehr bewirtschaftet. Viele Einwohner hatten das Weite gesucht und ein Teil der Höfe mußte mit angeworbenen Siedlern neu besetzt werden. / 1668 brannten 11 der 37 Höfe in Großenberg nieder. / Bei der Aufstellung des ersten Salbuches 1669, gab es in Großenberg 39 Höfe. / 1684 gab es eine Dürre und anschließende Hungersnot./ 1720 In Großenberg leben 163 Einwohner, die 38 Höfe bewirtschaften. / 1772 21 Großenberger bewirtschaften Land auf dem Gebiet der benachbarten Stadt Lügde, das der dortigen Schledenhagener Gesellschaft gehört, an die sie Abgaben zahlen müssen. / 1817 Großkötter Johann Heinrich Klages vererbte den Armen im Kirchspiel Neersen 10 Taler. / Einer der in seiner Zeit bekanntesten Großenberger Einwohner war Schafmeister August Reese. 1824 in Großenberg geboren, zog er 1857 nach Oesdorf. Nur ihm alleine war es im ganzen Fürstentum Waldeck-Pyrmont gestattet, den Fürsten und Landesherren mit „Du“ anzusprechen. Als Begründung dafür führte er an, daß er auch „seinen“ Herrgott mit „Du“ ansprechen würde, der weit über dem Fürsten stehe. Dem mußte Fürst Georg Victor zu Waldeck und Pyrmont zustimmen und ernannte diesen „klugen Mann“ am 3. April 1867 zum „Fürstlich Waldeck-Pyrmonter Wald-, Feld-, Forst-, Jagd-, Schafmeister und Fürstlich Waldeck-Pyrmontischen Berater“. Wenn sich der Fürst in den Sommermonaten in Pyrmont aufhielt, dann traf er sich einmal in der Woche mit dem Schafmeister. Dieser berichtete dem Fürsten dann über die Lage der Bevölkerung und machte viele Verbesserungsvorschläge. / Seit 1826 zogen Einwohner aus Großenberg z. B. nach Hannover, wo sie sich als Tagelöhner verdingten. Danach folgte eine große Auswanderungswelle nach Nordamerika. / Seit 1850 wurde Großenberg von einem Bürgermeister und Gemeinderat verwaltet. / 1860 wurde in Großenberg ein eigener Friedhof eingerichtet. Damals lebten 313 Einwohner im Dorf, in dem es 49 Häuser gab. / 1900-1902 nahm der Großenberger Einwohner August Frede als Soldat an einer Chinaexpedition teil, über die er einen interessanten Bericht hinterließ. / 1917/18 Im 1.Weltkrieg fielen 16 Einwohner aus Großenberg, 4 wurden vermißt und 2 starben an den Kriegsfolgen. / Im Zuge eines Zentralisierungsversuches, sollte 1930 eine gemeinsame Verwaltung für alle Bergdörfer mit einer Gemeinschaftsschule an der Windmühle eingerichtet werden, was die Großenberger verhinderten. Sie wollten ihre eigene Schule und Verwaltung behalten. / 1939/45 Im 2. Weltkrieg fielen 7 Einwohner aus Großenberg, 3 wurden vermißt, 1 verstarb an den Kriegsfolgen. / Am 5. April 1945 besetzten die Amerikaner Großenberg. / 1948 lebten in Großenberg 308 Einwohner, von denen 140 Vertriebene und Flüchtlinge waren. Sie zogen größtenteils wieder weg, weil es in Großenberg keine nennenswerten Arbeitsmöglichkeiten gab. / 1958 wurde die Polizeistation Großenberg aufgelöst. / 1959 wurde wieder der traditionelle „Fasselabend“ gefeiert. Eine besondere Art Karneval mit Umzug, der letztmalig 1961 stattfand. / 1965 entstand westlich des Dorfes eine Neubausiedlung. /

Großenberg, Dorfansicht

Großenberg, Ansicht von Osten. Foto: Manfred Willeke

Durch die Gemeindeneugliederung zum 1.1.1973, wurde Großenberg ein Ortsteil der Stadt Bad Pyrmont. / Westlich des Dorfes entstand 1990 eines der ersten Windräder auf der Ottensteiner Hochebene. / 1995 ist das letzte Gasthaus in Großenberg geschlossen worden. / 1998 wurde Großenberg an die Kanalisation der Stadt Bad Pyrmont angeschlossen und die Straßen z. T. erneuert. / 2008/09 ist ein neues Feuerwehr/Dorfgemeinschaftshaus errichtet worden. / 2009 Jubiläumsfeier der ersten urkundlichen Erwähnung des Dorfes vor 750 Jahren.

BAARSEN
Das Dorf Baarsen ist im 8. Jahrhundert als sogenannter Hausenort gegründet worden. Nach dem Gründer, einem gewissen Bardo, wurde es Bardoshausen genannt, woraus sich im Laufe der Jahrhunderte der heutige Name entwickelte.
In der Zeit zwischen 1237-1247 wird das Dorf urkundlich erstmals in Aufzeichnungen des Schultheißen von Hameln erwähnt. Die erste urkundlich datierte Erwähnung stammt vom 27. Januar 1284. Damals war Bernhardus von=aus Baarsen Ratsherr der benachbarten Stadt Lügde und bezeugte als solcher eine Urkunde der Grafen Hermann und Konrad von Pyrmont. Sein Sohn Johannes war 1293 Bürgermeister der Stadt Lügde und hatte zahlreiche Nachkommen, die sich noch bis ins 19. Jahrhundert hinein in der Stadt nachweisen lassen. Sie nannten sich im 16. und 17. Jahrhundert Badden-, im 18. und 19. Jahrhundert dann Barkhausen.
Nach 1347/80 starb ein großer Teil der Dorfbewohner an der Pest. Die wenigen Überlebenden zogen in die nahegelegenen größeren Orte Ottenstein, Lügde oder Hameln und das Dorf fiel wüst.

Baarsen, Dorfmitte

Baarsen, Dorfmittelpunkt mit Brunnen. Foto: Manfred Willeke

-AUS DER GESCHICHTE DES DORFES BAARSEN
Baarsen wurde seit 1516 neu besiedelt. Die ersten Siedler waren: Ludolph Biermann, Johann Biermann, Hermann Nebelsiek, Heinrich Schrader, Heinrich Winter, Johann Voßhagen, Hans Paucks und Hermann Samson. Sie stammten alle aus dem Raum Westlippe/Ravensberg (Bielefeld). Teilweise lassen sich sogar die genauen Herkunftsorte (Höfe) nachweisen. / 1580 gab es 26 Häuser in Baarsen. / 1614 befreite Graf Hans Ludwig von Gleichen- Spiegelberg und Pyrmont den Hof der Familie Judenherzog in Baarsen von allen Abgaben und Lasten, so daß in der Dorfmitte (heute Mehrzweckhalle) ein eigenständiger Guts/Sattelhof entstand. Die Judenherzogs, ursprünglich Gudesherz=Gutes Herz genannt, stammten aus dem Hof N. 13 in Unterwüsten bei Bad Salzuflen und lassen sich seit 1576 in Baarsen nachweisen. Ein bevor ihr Hof Guts/Sattelhof wurde, hatte Christoph Judenherzog die Hofgebäude neu errichten lassen. Der Torbogen des Hauptgebäudes ist bis heute erhalten geblieben. / Im 30-jährigen Krieg 1618-1648 ist Baarsen stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Das Dorf wurde wiederholt überfallen und ausgeplündert und die Einwohner verarmten. Sogar der Besitzer des Guts/Sattelhofes Heinrich Judenherzoge geriet in Schwierigkeiten und zog 1644 mit seiner Mutter und Schwester zu seinem Bruder nach Sommersell bei Höxter, wo dieser als kath. Pfarrer wirkte. Andere Einwohner mußten wegen ihrer Armut z. B. Scheunen und alte Ställe auf Abbruch verkaufen, um ihre Steuern bezahlen zu können. /

16 1967 abgerissener Sattelhof

Baarsen, 1967 abgerissener Sattelhof der Familie Judenherzog in der Dorfmitte. Foto: G. v. d. Heide, Baarsen

Nach ersten Salbuch von 1669, gab es damals in Baarsen 9 Halbmeier, 14 Kötter und 7 Kleinkötter, die rund 831 Morgen Land bewirtschafteten. / Am 1. Mai 1676 brannten innerhalb nur einer Stunde (!) die Höfe von Hans Schluwe, Ernst Paucks, Caspar Nebelsiek, Hans Mergel und Jasper Gottschalck nieder. / 1694 Die Einwohner der fünf Bergdörfer erbauen auf Baarsener Gebiet, an der höchsten Erhebung der Bergdörfer (375 Meter), eine Bockwindmühle, die sie dann genossenschaftlich betrieben haben. Damit ersparten sie sich den langen und beschwerlichen Weg zur Dringenauer Mühle im Pyrmonter Tal. Der Nachfolgebau dieser Windmühle ist 1923 abgebrannt. / 1699 entstand ein Ziegelei im Mosterholz bei Baarsen, die später näher zum Dorf verlegt wurde und noch bis 1962 Ziegelsteine produzierte. / 1720 gab es neun Neubauern in Baarsen, die alle „unvermögend“ waren. / Bereits vor 1737 hatte Baarsen eine Schule, in der damals allerdings mehr Christenlehre, als rechnen und schreiben unterrichtet wurde. / Im 7-jährigen Krieg lagerten 1757 beim benachbarten Dorf Sabbenhausen 1700 Soldaten, die alles „wegführten“ was sie fanden. / 1758 wurde das zweite Salbuch aufgestellt, wonach es damals in Baarsen 9 Halbmeier, 12 Großkötter, 2 Mittelkötter, 2 Kötter, 16 Kleinkötter und 4 Beiwohner (Mieter) gab. / Seit 1850 wurde Baarsen von einem Bürgermeister und Gemeinderäten verwaltet. / Am 15. Juli 1880 und 21. November 1882 zogen schwere Gewitter mit Hagelschlag über Baarsen, Neersen und Eichenborn hinweg. Dadurch wurden alle Garten- und Feldfrüchte und den größten Teil der Fensterscheiben zerstörten. Pastor Matthias aus Neersen sammelte daraufhin 1943 Mark für die Geschädigten. In Erinnerung an dieses Ereignis, wurde bis in die Zeit nach dem 2. Weltkrieg jedes Jahr die Hagelfeier „Lütge Pingsten“ begangen. / 1894 Mit Sitz in Baarsen, wird eine Genossenschaftsbank (heute Volksbank Hameln-Stadthagen) für alle Bergdörfer gegründet. / 1914/17 im 1. Weltkrieg fielen 10 Einwohner aus Baarsen. / 1923 Anschluß an das Stromnetz. / 1930/31 Bau einer Wasserleitung. / 1932 ist der Turnverein Baarsen gegründet worden. / 1934 veranstaltete der 1925 schon erwähnte Junggesellenverein „Weiße Taube“ einen Karnevalsumzug durch das Dorf. / 1939/45 Im 2. Weltkrieg fielen 31 Einwohner aus Baarsen, 13 wurden vermißt, einer starb an den Kriegsfolgen. / 1940 wurde im Gasthaus Pfennig „auf dem Saal“ ein Gefangenenlager eingerichtet. / Am 5. April 1945 besetzten die Amerikaner Baarsen. Wenige Monate später kamen dann die ersten Flüchtlinge und Vertriebenen nach Baarsen, darunter der Arzt Dr. Lohrer, der in Baarsen blieb und eine Praxis eröffnete. Die Einwohnerzahl stieg sprunghaft von 300 auf 600. Viele der Flüchtlinge und Vertriebenen zogen später wieder fort, weil es kaum Arbeitsmöglichkeiten in Baarsen gab. / 1971 verlor Baarsen seine Ortsteile Butze, Finkenkamp und Lüdenberg an die Stadt Lügde und erhielt eine Ausgleichszahlung. Diese wurde für den Bau der Mehrzweckhalle verwendet. Der dort ehemals befindliche Guts/Sattelhof aus dem 17. Jahrhundert, war zuvor abgebrannt. / Durch die Gemeindeneugliederung zum 1.1.1973, wurde Baarsen ein Ortsteil der Stadt Bad Pyrmont. Damals lebten in Baarsen 319 Einwohner. / 1978 Ausbau von Kanälen und Straßen. / 1997 Schließung der seit 1950 bestehenden Postdienststelle Baarsen. / 2001 Anschluß an die Gesamtkanalisation der Stadt Bad Pyrmont. / 2005 Sanierung der Mehrzweckhalle durch Eigeninitiative der Einwohner. / 2007 Errichtung der Wohneinrichtung für Menschen mit Autismus „Haus im Wind“, an Stelle der 1923 abgebrannten Windmühle. / 2007 Feier des Rapsblütenfestes in Baarsen. / 2014 Nachdem bereits die Bäckerei Hamann geschlossen worden war, schließt im Oktober das Gasthaus Pfennig. Nun existiert in keinem der fünf Bergdörfer mehr ein Geschäft bzw. Gasthaus.

EICHENBORN
Als mittelalterlicher Vorläufer des Dorfes kann die in unmittelbarer Nachbarschaft von Eichenborn gelegene Siedlung Mellenhagen angesehen werden, eine Hagensiedlungen der Grafen von Pyrmont aus dem 13. Jahrhundert, wie Delmen- und Wedenhagen (zwischen Kleinenberg und Thal).
Das heutige Dorf Eichenborn entstand als Filialdorf von Neersen. Die Gründungssage berichtet uns, daß, als es in Neersen zu viele Einwohner gab, in nördlicher Richtung gerodet worden und an einer Quelle mit drei Eichen (am Eichenborn!) das neue Dorf entstand ist. Am 14. September 1536 wird Eichenborn erstmals urkundlich erwähnt.

Eichenborn

Eichenborn, Ansicht von Süden. Foto: Manfred Willeke

-AUS DER GESCHICHTE DES DORFES EICHENBORN
1543/46 In Eichenborn gibt es 12 Häuser. / Während des 30-jährigen Krieges 1618-48 sind die Bergdörfer fast vollständig verwüstet worden. 1632 berichtet Heinrich Quelle aus Eichenborn, daß er von vier Reitern überfallen worden sei, die sein Pferd und vier weitere aus Neersen gestohlen hätten. In den folgenden Jahren setzten den Einwohnern schwedische und hessische Soldaten mit „Raub, Brennen, Plündern und Brandschatzen eifrig und unaufhörlich“ zu. Dazu wütete in allen Dörfern der Grafschaft Pyrmont die Pest. Nach Ende des Krieges hatten viele Einwohner das „Weite“ gesucht. / Bei der Aufstellung des ersten Salbuches 1669, gab es in Eichenborn 2 Halbmeier, 5 Großkötter, 4 Mittelkötter und 18 Kleinkötter. / 1686 In Eichenborn gibt es 19 Häuser. / 1720 leben 82 Einwohner in Eichenborn, aufgeteilt in 55 Ehepaare, 10 Söhne, 16 Töchter und ein Magd. / Aus einem Verzeichnis des seit 1798 in Neersen tätigen Pastors Albracht erfahren wir, daß im Dorf zehn neue Häuser entstanden und andere wieder in Stand gesetzt bzw. neu erbaut worden sind. An Handwerkern gab es im Dorf zwei Schuhmacher und seit 1833 eine Hebamme. / Im 19. Jahrhundert sind wegen der schlechten Arbeitsmöglichkeiten viele Einwohner in die nächsten größeren Städte nach Hannover und Hamburg gezogen, oder aber nach Nordamerika ausgewandert. / 1830 Anhand der Pyrmonter Amtsrechnung läßt sich ermitteln, das die Eichenborner jährlich 42 alte und 34 junge Hühner zu liefern hatten. Carl Mergel berieb eine Schenkwirtschaft und einen Handel. / 1848/49 Die Einwohner Eichenborns lösen alle herrschaftlichen Dienste und Lieferungen ab. / Seit 1850 wurde Eichenborn von einem Bürgermeister und Gemeinderat verwaltet. Da sich die Eichenborner zunächst nicht auf einen eigenen Bürgermeister einigen konnten, übernahm der Bürgermeister Heinrich Chr. Schäfer aus Neersen dieses Amt zusätzlich bis 1852. / 1862 Neubau der Schule und des Spritzenhauses. / 1872/76 Eichenborn hat 251 Einwohner und 51 Häuser. / 1878/79 heiratete Friedrich Klinge aus Hummersen in die alte Gaststätte Carl Mergel ein und erhielt die Genehmigung, diese weiter zu betreiben. Bereits 1670 gab es diese Gaststätte, die 1806 sogar Königin Louise besuchen wollte. / 1882 Wilhelm Strohmeyer erbaut das erste Haus im Wilhelmsthal unterhalb von Eichenborn. / 1888 Nachdem das Haus des nicht versicherten Neubauern Schmidt niedergebrannt war, spendete Königin Emma der Niederlande, geborene Prinzessin zu Waldeck und Pyrmont, 300 Mark für den Wiederaufbau. / 1890/1900 Im Wilhelmsthal sind Bergbauversuche (Kohle) unternommen worden, die allerdings scheiterten. Nach mündlichen Überlieferungen, hat hier die Familie Wöltje bzw. Strohmeyer aus Eichenborn im 17. und 18. Jahrhundert Eisenerz abgebaut und viel Geld damit verdient. /

Eichenborn, Wilhelmsthal

Wilhelmsthal unterhalb von Eichenborn, Aquarell um 1930 von „M G“

1906 Hermann Steinmeyer erbaut eine Windmühle in Eichenborn, die bis 1936 in Betrieb war. 1948 ist sie teilweise eingestürzte und dann abgerissen worden. / 1914/18 Im 1. Weltkrieg fielen 16 Einwohner aus Eichenborn, 3 wurden vermißt. / 1930 ist die Bergwasserleitung gebaut worden, an die auch Eichenborn angeschlossen wurde. / 1939 Eichenborn hat 54 Haushalte. / 1939/45 Im 2. Weltkrieg fielen 17 Einwohner aus Eichenborn, 3 wurden vermißt. / Am 5. April 1945 besetzten die Amerikaner Eichenborn. / 1950 In Eichenborn leben noch 144 Flüchtlinge und Evakuierte. Weil es an Arbeitsmöglichkeiten im Dorf fehlte, sind später viel wieder weggezogen. / Seit 1962 wurden Häuser in der neu ausgewiesenen Siedlung „An der Kreisstraße“ errichtet, die Straßen kanalisiert und asphaltiert. / Durch die Gemeindeneugliederung zum 1.1.1973, wurde Eichenborn ein Ortsteil der Stadt Bad Pyrmont. / 1977/79 Entstehung der „Sozialpädagogischen Dienstleistungen“ (Haus Kunterbunt), mit weiteren Standorten in Holzhausen und Reher. / 1978 In Eichenborn ist eine Dorferneuerung durchgeführt worden. / 2006 feierte Eichenborn das 470-jährige Bestehen des Dorfes mit einem Festumzug, Vorführungen von historischen Geräten und einem abschließenden Ball im Gasthaus „Zur Windmühle“. Fritz Pflughaupt und Thomas Kleinsorge stellten historische Fotos aus.

OESDORF, Stadtteil von Bad Pyrmont
Oesdorf, in seiner Urform „Odisthorp“, ist im 5./6. Jahrhundert entstanden, als vermehrt vordringende Altsachsen Orte mit den Endungen Trup/Torp und Dorf gründeten. Der erste Namensteil „Odis“ deutet auf den Vornamen Oden, Odinga pp hin, vielleicht den Gründer des Dorfes. Erstmals erwähnt finden wir Oesdorf in einer leider undatierten Urkunde des Bischofs Imad von Paderborn aus der Zeit zwischen 1052-76.
Oesdorf lag im 11./12. Jahrhundert im Gebiet der Grafen von Schwalenberg, die auch im Besitz des Urhofes aus der Gründungszeit waren. Dieser, später als „großer Meierhof“, dann „Brauhof“ bezeichnete Urhof, lag im Bereich der heutigen Rathausstraße Nr. 20/22. Er war vermutlich Teil des Allods=Eigenbesitz der Grafen von Schwalenberg, das Erzbischof Philipp von Köln 1184 von diesen kaufte. Als Marschall von Westfalen wollte er damit die Grenze des Herzogtums mit einer Burg absichern. Diese Burg wurde nach dem hl. Petrus „Petersberg=Petrimons“ genannt und zur Hälfte an Graf Widekind von Schwalenberg, dann von Pyrmont genannt, verlehnt.
1276-1284 zerstörte Edelherren Simon zur Lippe die Burg Pyrmont und eignete sich den „großen Meierhof in Oesdorf“, den „kleinen/lutken Meierhof in Oesdorf“, Land bei Oesdorf und weitere Besitzungen der Grafen von Pyrmont an. Diese Güter verlehnte er zunächst an die in Lügde ansässigen Ritter v. Kanne und 1311 an den Ritter Bernd v. Frenke. Ob diese Belehnungen allerdings wirksam geworden sind ist ungewiß.
1306 gewann Marschall Johann von Bielstein, im Auftrag des Erzbischofs von Köln, die beiden Meierhöfe in Oesdorf für das Marschallamt Westfalen bzw. das Erzbistum Köln zurück. 1403 finden wir beide Höfe im Besitz der Grafen von Pyrmont belegt. Der „kleine Meierhof“ ist 1403 von Menß in Oesdorf bewirtschaftet worden. 1464 ist er als Brautschatz an den unlegitimen Sohn des Grafen Moritz von Pyrmont, Heinrich Feuerberg, verlehnt worden. Er wurde damals von Hencke Staykop bewirtschaftet. 1526/27 u. 1540 belehnten Graf Friedrich zu Spiegelberg und Pyrmont bzw. die Vormünder seines minderjährigen Sohnes Herbort v. Frenke u. a. mit Land und dem kleinen Meyerhof in Oesdorf. 1549 tauschten die Grafen zu Spiegelberg und Pyrmont den kleinen Meierhof gegen 126 Morgen Land mit der Familie v. Post in Lügde. Der große Meierhof blieb weiterhin bestehen. Er wurde 1669 neu erbaut. 1756 gab es dort folgende Gebäude: Malzhaus, Brauhaus (danach wurde er nur noch „Brauhof“ genannt), Wohnhaus, Branntweinbrennerei, 2 Schweineställe, Zehntscheune, Holzmagazin, Schäferhaus. 1824/56 bewirtschafteten Otto, dann Franz Förstermann den Hof, bevor er 1857 von der Fürstlichen Verwaltung an den Oekonomen Lindwedel verkauft worden ist. 1899/1908 sind die Reste des Hofes abgebrannt und schließlich ganz abgetragen worden.

Bad Pyrmont, Oesdorf, Lortzingstraße

Oesdorf, Lortzingstraße. Foto: Klara Behnke

-AUS DER GESCHICHTE DES DORFES OESDORF
1239 finden wir Eggenhardus, Bruder des Herboldus von=aus Oderstorp (Oesdorf), als Zeugen der Grafen von Pyrmont erwähnt. Er war in der Stadt Lügde ansässig. Von seinen Nachkommen in Lügde treten besonders Jordanus, 1284 Ratsherr, und Wynandus, 1293 Bürgermeister, hervor. / 1354 Johann und Winand v. Huckenhausen verkaufen dem Kloster Marienfeld u. a. auch ihre Güter in Oesdorf. / 1363 belehnten die Grafen Hermann und Heinrich, Brüder von Pyrmont, den Lügder Bürger Tenten u. a. mit zwei Stücken Land bei Oesdorf. / In der ältesten überlieferten Pyrmonter Rechnung aus dem Jahre 1403, finden wir Oesdorf mehrfach erwähnt. Von Menß in Oesdorf sind 1 Malter Roggen und 3 Scheffel Hafer vom „Luttken/kleinen Meierhof“ aufgemessen worden. An Heuerkorn wurde aus Oesdorf 1 Malter Hafer eingenommen. / 1466 finden wir den großen Meierhof und den Zehnten von Oesdorf in der Aufstellung aller Güter des Grafen Moritz von Pyrmont erwähnt. / 1526/27 belehnte Graf Friedrich zu Spiegelberg und Pyrmont Herbort v. Frenke u. a. mit dem Zehnten zu Oesdorf und dem kleinen Meierhof daselbst. / 1540 belehnten die Vormünder des Grafen Philipp zu Spiegelberg und Pyrmont Herbort v. Frenke, wie bereits 1527, u. a. mit dem halben Zehnten zu Oesdorf und dem kleinen Meierhof daselbst. / 1549 gelangten die Grafen zu Spiegelberg und Pyrmont durch Tausch in den Besitz von 126 Morgen Land vor Oesdorf, die der Familie v. Post aus Lügde gehörten. Von diesem Land bewirtschafteten damals Ludecke Knake und Hermann Hartmann je die Hälfte. Ludecke Knake trat seine Hälfte den Grafen ab und zog in die benachbarte Stadt Lügde. Die v. Post erhielten als Entschädigung für das Land u. a. den häufig erwähnten kleinen Meierhof in Oesdorf. / 1551 hat Graf Philipp zu Spiegelberg und Pyrmont durch seinen Amtmann Seiler zehn Fuder Holzkohle „vom Osterhagen“ (unterhalb der Herlingsburg) abfahren lassen, die Hermann v. Mengerssen zu Schwalenberg als sein Eigentum ansah und die Verfolgung aufnahm. Er bemächtigte sich daraufhin in den Dörfern Oesdorf und Löwensen etlicher Pferde und Wagen. / 1572/76 In der Pyrmonter Amtsrechnung dieser Jahre werden 36 Oesdorfer Abgabepflichtige erwähnt. / 1583/84 hatten die Einwohner der Dörfer Oesdorf, Thal, Löwensen, Großen- und Kleinenberg und Holzhausen unter den Folgen des sog. „Pyrmonter Erbfolgekrieges“ zu leiden. Gräfin Walburga von Gleichen-Spiegelberg und Pyrmont kämpfte mit Fürstbischof Heinrich von Paderborn um den Besitz der Grafschaft Pyrmont. / Während des 30-jährigen Krieges 1618-1648 hatte Oesdorf besonders viel zu leiden. / 1667 brannte das Dorf Oesdorf, bis auf den massiven Kirchturm, ganz ab. Nachdem die Häuser soweit wieder aufgebaut worden waren, erwarb Amtsschreiber Bernhard Judenherzog vom Grafen zu Waldeck und Pyrmont das alte, baufällige Amtshaus und errichtete an der Stelle 1671 ein großes Patrizierhaus, das heutige Bethesda, Lortzingstraße Nr. 19/22. Dort wohnten mehrfach bedeutende Kurgäste. / 1720 wurde die Brunnenstraße zur Stadt Pyrmont erhoben, die bis 1740 schon größtenteils mit dem Dorf Oesdorf zusammengewachsen war. / 1793 Brunnenarzt Dr. Trampel entdeckt die Solequelle an der Saline, die seit 1810 als Trink- und Badequelle genutzt wird. Hinter dem eigens erbauten Solebadehaus wurde ein Gradierwerk errichtet, das leider 1880 abgerissen worden ist. / 1843 Gründung des Gesangvereins „Oesdorfer Liedertafel“. / Seit 1850 wurde Oesdorf von einem Bürgermeister und Gemeinderat verwaltet. / 1852 Pastor Adam Wolff erwirbt von den Erben des Regierungsrates Klapp dessen Anwesen (Lortzingstraße Nr. 19/22) und richtet darin ein Armen- und Krankenhaus (Bethesda) ein. / 1858 Abriß und Neubau der Schule an der Lortzingstraße Nr. 14. / 1860 Der Oesdorfer Schützenverein wird erwähnt. / Im Krieg 1870/71 fielen 18 Einwohner aus Oesdorf. / 1879 Gründung der Freiwilligen Feuerwehr Oesdorf. / 1880 Oesdorf hat 163 Häuser, eine Schule, ein Kranken- und Armenhaus. / 1899 Errichtung eines eigenständigen Krankenhauses, benannt nach der Fürstin Bathildis zu Waldeck und Pyrmont, „Bathildiskrankenhaus“. / 1901 Grundsteinlegung des Bismarckturms. / 1902/03 Neubau der Schule an der Georg-Victor Straße. / 1914/18 Im 1. Weltkrieg fielen 56 Einwohner aus Oesdorf, 2 wurden vermißt. /Am 1. April 1922 wurde Oesdorf, nach einhelligem Beschluß des Gemeinderates bzw. breiter Zustimmung der Bevölkerung, ein Stadtteil von Bad Pyrmont. / 1925 Thermalbohrung an der Saline. / 1930 Die Kirchengemeinde Oesdorf übergibt den Friedhof an die Stadt Bad Pyrmont. / 1939/45 Die Gefallenen und Vermißten sind in der Zahl der 633 erfaßten Einwohner Bad Pyrmonts mit eingerechnet. / Am 5. April 1945 besetzten die Amerikaner den Bad Pyrmonter Stadtteil Oesdorf.

-DIE EVANGELISCH LUTH. ST. PETRIKIRCHE OESDORF
1052-1076 schenkte ein gewisser Wirinbert, mit Einwilligung seines Sohnes Bodo, dem Bischof Imad von Paderborn zwei Höfe, damit der Bischof die drei Villen (Dörfer) Oesdorf, Löwensen und Vesper (ein später wüst gewordenes Dorf in der Nähe des Bahnhofs Bad Pyrmont) der Kirche/Pfarrei Oesdorf einverleiben konnte, wogegen Wirinbert der Pfarrei/Kirche St. Kilian zu Lügde und dem Priester Widekind daselbst, von der diese drei Dörfer genommen sind, einen Hof in Ubbenbrock übergab. Vermutlich besaß der in der Urkunde genannte Wirinbert damals den größten Teil des Dorfes Oesdorf und kann als Erbauer der ersten Kirche von Oesdorf angesehen werden. Diese erste Kirche soll der hl. Gertrud geweiht gewesen sein. / 1231 Die Pfarrei Oesdorf gehört zum Archidiakonat Steinheim. / 1430/80 Im Rechnungsbuch des Gerichtes Wilbaßen wird erwähnt, daß die Pfarrei Oesdorf zum Archidiakonat Steinheim gehört und jährlich 36 Schillinge, 4 Pfennig Abgaben zu entrichten hatte. / 1475/99 Heinrich Hoppe ist Kirchenherr in Oesdorf und Vikar in Lügde. / Seit 1496 übernahmen die Pfarrer von Oesdorf auch die Betreuung der wieder besiedelten „oberen Grafschaft“ bzw. der Kirche in Neersen, die sie bis 1534 inne hatten. Wohl aus diesem Grund ordneten die Grafen, die unter ihrem Patronat stehende Vikarie der hl. Anna, der Gottesmutter und des hl. Bartholomäus der Oesdorfer Pfarrei zu. / 1530/40 Der gräflichen Rechnung zufolge, gehörten die Kirchen der Grafschaft, in Lügde, Neersen, Holzhausen, Thal und Oesdorf zum Bistum Paderborn und seit 1231 zum Archidiakonat (Dekanat) Steinheim. / Seit 1534 waren die Pfarrer von Oesdorf auch Hauskapläne der Grafen zu Spiegelberg und Pyrmont und damit auch des neu erbauten Schlosses Pyrmont. / 1552 wurde Dietrich Friese von=aus Collum der erste evangelische Pastor in Oesdorf. / 1612 wurde der neue Oesdorfer Pfarrer Antonius Bochröder vom Grafen zur Lippe mit dem Kirchenlehen zu Thal belehnt. / Während des 30-jährigen Krieges 1618-1648 bzw. den dadurch bedingten, mehrfachen Konfessionswechsel, hatte Oesdorf besonders viel zu leiden. / 1666 stellte der Schreiner Curdt Windell „Stühle“ für die Kirche her, die damals folglich neu eingerichtet worden ist. / 1667 brannte das Dorf Oesdorf, bis auf den massiven Kirchturm, ganz ab. Das Kirchenschiff ist danach in ganz einfacher Form wieder aufgebaut worden. / 1676/77 Neubau des Pfarrhauses an der Brunnenstraße (Nr. 28/29). /

Oesdorf, alte Kirche um 1870

Alte Kirche von Oesdorf. Foto: Stadtarchiv Bad Pyrmont

Am Montag, den 5. April 1880 begann die Renovierung (d. h. größtenteils Neubau) der alten Oesdorfer Kirche. Der Plan stammte vom berühmten Baumeister Conrad Wilhelm Hase aus Hannover, die Bauausführung hatten Baumeister Gösling (Pyrmont), Maurermeister Eyl, Feldmann, Weber, Zimmermeister Kleine, Baumeister und Begemann übernommen. Die Ausmalung übernahm Architekt Schrader aus Hannover. Die Orgel lieferte Orgelbauer Eduard Vogt aus Korbach. Die Baukosten beliefen sich (ohne Orgel) auf 45.000 Mark. Am 19. Oktober 1881 wurde die Kirche eingeweiht. / 1898 Neubau des Pfarrhauses an der Schellenstraße. /1907 Für die Konfirmanden wurde, nach Abriß des Kuckuckschen Hauses, neben der Kirche ein neuer Saal errichtet / 1921/22 Der baufällige, von der ursprünglichen Kirche noch erhalten gebliebene Kirchturm wird abgerissen und größtenteils neu erbaut.

HOLZHAUSEN (UND HUCKENHAUSEN), Stadtteil von Bad Pyrmont
Holzhausen besteht heute aus zwei Dörfern, die bereits im 14. Jahrhundert „nebeneinander“ lagen und im 16. Jahrhundert zusammengewachsen sind. Der untere Teil des Dorfes, südlich der Schillerstraße bzw. östlich der Hohenborner Straße, ist das alte Dorf Huckenhausen. Zwischen der Schiller- und der Grießemer Straße lag das alte Dorf Holzhausen. Beides sind im 8. Jahrhundert entstandene Hausenorte. Holzhausen nach seiner Lage am Wald/Holz und Huckenhausen nach seiner Lage in einer feuchten Niederung (Moor) benannt.
Huckenhausen wird am 21. Januar 1259 erstmals urkundlich erwähnt, d. h. Johann v. Huckhausen im Gefolge der Grafen von Pyrmont. 1305 überließ Ermbert v. Holzhausen seine Güter in Holzhausen bei Huckenhausen Johann v. Huckenhausen. Dieser verkaufte 1354 alle Güter in Holzhausen, bestehend aus einem Teich (Couppes´ Teich), einer Mühle und Ländereien an das Kloster Marienfeld bei Harsewinkel im Münsterland (1612 verkaufte das Kloster die Güter an die Grafen von Gleichen-Spiegelberg und Pyrmont). Im 14. Jahrhundert lebten die meisten Mitglieder der Familie v. Huckenhausen in Lemgo, wo sich ihre Spur verliert. Nach 1353/54 heiratete die Witwe Oda v. Huckenhausen Graf Hermann von Pyrmont.
Holzhausen wird 1173 als Kirchdorf erstmals erwähnt. Die Kirche stand gegenüber des Lindenhofes und war wahrscheinlich dem Heiligen Vitus (seit 836 Schutzheiliger des Klosters Corvey, -> siehe auch 1415) geweiht. Der dazugehörige Versorgungshof für Kirche und Pfarrer, wurde vom Viet(us)-Meier betrieben. 1623 ist die Kirche abgebrannt und nicht wieder aufgebaut worden. Weil Holzhausen eine Kirche hatte, blieb dieser Ortsname dominierend, während der Name Huckenhausen in Vergessenheit geriet.

Holzhausen, Teil Huckenhausen

Der Untere Teil von Holzhausen (Ortsstraße), ehemals Huckenhausen. Foto: Manfred Willeke

-AUS DER GESCHCIHTE DES DORFES HOLZHAUSEN
1301 schenkte Edelherr Bodo von Homburg dem Kloster Falkenhagen vier Hufen Land im Kirchdorf Holzhausen, fast alle in direkter Nachbarschaft der Flur Hakelt gelegen. / 1305 besaß das Stift Fischbeck einige Güter in Holzhausen (1442 vier Kötterhöfe um die Kirche! Die Abgaben dafür sind 1832-34 abgelöst worden). / 1391 Die Grafen von Pyrmont belehnen die v. Rebock (Lügde) mit Gütern in Huckenhausen und Holzhausen. / 1415 Nach dem Aussterben der Ministerialenfamilie v. Everstein, belehnte der Abt des Klosters Corvey die Familie v. Kanne (Lügde) mit dem Corveyer Lehen in Holzhausen. Dabei handelt es sich um einen vermutlich uralten Besitz des Klosters, das wohl auch die Kirche in Holzhausen gegründet und unter den Schutz ihres Patrons (Vitus) gestellt haben dürfte (1653 verkauften die v. Kannen die Lehnsgüter an die Familie v. Luttersheim und diese 1678 schließlich an das Domkapitel zu Paderborn). Zum Lehen des Klosters Corvey gehörte auch die bei Holzhausen gelegene Hamborner Mühle, die 1437 erstmals erwähnt wird. / 1526-36 ließ Graf Friedrich zu Spiegelberg und Pyrmont „bei Holzhausen, auf dem Speckholz“, das damals denen v. Rebock gehörte, die Festung (Schloß) Pyrmont erbauen. / 1546 gab es in Holzhausen 48 Häuser. / 1575 gab es in Holzhausen 46 Abgabepflichtige. / 1583/84 Durch den Pyrmonter Erbfolgekrieg zwischen Gräfin Walburga von Gleichen-Spiegelberg und Pyrmont und Fürstbischof Heinrich von Paderborn, kam es auch zu Schäden in Holzhausen. / In Folge des 30-jährigen Krieges 1618-48 ist Holzhausen 1623, damals auch die Kirche, und 1639 in Brand gesteckt worden. / Bei der Aufstellung des ersten Salbuches 1669, gab es in Holzhausen 12 Vollmeier, 4 Halbmeier, 15 Großkötter, 9 Kleinkötter, 12 Großfreie, 33 Kleinfreie und nach einem späteren Eintrag noch 9 Neusiedler. / 1692 wurde bei der verfallenen Hamborner Mühle „auf Hohenborn“ eine Papiermühle erbaut. / 1700 wurde die verfallene Hamborner Mühle wieder aufgebaut. / 1758 brannten neun Bauernhäuser nieder. / Nach dem 1758 aufgestellten Salbuch, gab es damals 10 Vollmeier (ein Gut war geteilt), 9 Halbmeier, 17 Großkötter, 30 Mittelkötter und 62 Kleinkötter in Holzhausen. / Bei der Ablösung der herrschaftlichen Dienste gab es in Holzhausen 1849 11 Vollmeier, 10 Halbmeier, 16 Großkötter, 33 Mittelkötter, 61 Kleinkötter und 2 Müller. / Seit 1850 wurde Holzhausen von einem Bürgermeister und Gemeinderäten verwaltet. / 1861 brannten drei Häuser in der Schäfergasse ab. / Im Krieg 1870/71 fielen 21 Einwohner aus Holzhausen. / 1894 bildete sich eine Wasserwerks-genossenschaft, die das Wasser der Quelle Hohenborn nutzte und ein Wasserwerk erbaute, das 1896 eingeweiht worden ist (teilweise auf dem Gebiet der Stadt Lügde). Die Genossenschaft erwarb auch die ehemalige Papiermühle, zuletzt Wohnsitz von Vizeadmiral Georg Baron von Schleinitz. Später wurde in der alten Papiermühle ein Kreisaltenheim eingerichtet. 1945 kaufte die Stadt Bad Pyrmont das Wasserwerk und ließ 1956 die ehm. Papiermühle abreißen. Die Quellen wurden ausgebaut und sind heute ein wichtiger Teil der Bad Pyrmonter Trinkwasserversorgung. / 1897 wird in Holzhausen ein neuer Friedhof an der Hakelt angelegt, seit 1959 städtisch Friedhof von Bad Pyrmont. / 1910 wird Holzhausen an das Stromnetz angeschlossen. / 1914/18 Im 1. Weltkrieg fielen bzw. wurden vermißt 118 Holzhäuser Einwohner. / 1938 wurde Holzhausen, durch den Bad Pyrmonter Bürgermeister Zuchhold, zwangsweise als Stadtteil an die Stadt Bad Pyrmont angeschlossen. / 1939/45 Im 2. Weltkrieg fielen bzw. wurden vermißt 201 Holzhäuser Einwohner. / Am 5. April 1945 besetzten die Amerikaner den Bad Pyrmonter Stadtteil Holzhausen.

Holzhausen, St. Johannes

Die „St. Johannes“ Kirche Holzhausen. Foto: Manfred Willeke

-DIE EVANGELISCH LUTH. KIRCHE „ST. JOHANNES“ HOLZHAUSEN
1951 beschlossen die Holzhäuser im Rahmen einer Bürgerversammlung, eine eigene Kirche auf dem alten Friedhof an der Grießemer Straße, südlich der Schulstraße, zu erbauen. Am 2. Mai 1952 fand die Grundsteinlegung und am 20. Dezember 1953 die Einweihung statt. Seit dem 1. April 1954 ist die Kirchengemeinde selbständig.

LÜGDE, die ehemalige Residenzstadt der Grafschaft Pyrmont

KIRCHE ST. KILIAN
Die Stelle an der heute die Kilianskirche steht war, wie im Rahmen der Ausgrabungen in der Kirche 1972 anhand aufgefundener Scherben belegt werden konnte, schon im 6. Jahrhundert vor Christi Geburt ein Wohnplatz. Darauf weist auch eine aufgefundene Abfallgrube aus der Zeit um Christi Geburt und ein später datiertes Kindergrab hin.
Um 770 haben christliche Missionare aus Würzburg erste Kirchen in Westfalen gegründet und benannten sie nach ihrem Bistumspatron, dem hl. Kilian. Wahrscheinlich sind die Missionare damals auch bis nach Lügde vorgedrungen und gründeten die erste Kirche an diesem Platz.

Kilianskirche, Gemälde Fritz Drewes

Kirche St. Kilian. Gemälde des Kunstmalers Fritz Drewes 1950

Die erste urkundliche Erwähnung verbindet sich mit den Sachsenfeldzügen Karls des Großen, der 784 im Winter gegen die Sachsen zog. In den Reichsanalen heißt es dazu.: „Und er (Karl der Große) feierte (784) das Weihnachtsfest unweit der Skidirioburg, im Wetigau, am Emmerfluß in der Villa Liuhidi=Lügde.“. Diese „Villa Liuhidi“ war eine Ansiedlung, die aus einem Herrenhof und mehreren Fronhöfen bestand. Wer der Besitzer des Herrenhofes und damit Gastgeber Karls des Großen gewesen ist, wissen wir heute leider nicht mehr. Wahrscheinlich war es der Vater oder Großvater jenes Deitleib, der um 850/59 Besitzer des Herrenhofes Lügde war. Er bewirtschaftete damals rund 300 Morgen (ca. 74 Hektar) Land.

Kilianskirche, Winterlager Karl der Große 784, Gerda Riege

Winterlager Karls des Großen 784 in Lügde. Zeichnung von Gerda Riege, 1930

Karl der Große hat Lügde dann wenige Jahre später wohl noch einmal besucht, als 799 der aus Rom geflohene Papst Leo III. zu ihm nach Paderborn kam. Gemeinsam haben sie mit großer Wahrscheinlichkeit von dort aus auch Minden besucht. Auf dem Weg dahin soll Papst Leo III., wie der Lügder Pfarrer Nußbaum anhand alter Überlieferungen 1629 berichtet, die erste oder erweiterte (?) Kilianskirche geweiht haben. Dafür gibt es zwar keine schriftlichen Belege mehr, doch scheint es möglich. Auf Besiedlung und eventuelle Bautätigkeiten in dieser Zeit weisen auch verschiedene karolingische Scherben aus dem 8./9. Jahrhundert hin, die neben der Kilianskirche bei Schachtarbeiten gefunden worden sind.
Diese erste Kilianskirche war, wie im Sachsenland vom 8.-13. Jahrhundert allgemein üblich, ein einfacher Saalbau mit eingezogenem Rechteckchor. In der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts ist die Kirche erweitert, im 11. Jahrhundert ein erster Turm angebaut worden. Dieser erste Turm wurde um 1150 durch den heute noch bestehenden Turm ersetzt, der allerdings um 1200 erhöht worden ist. Im 12./13. Jahrhundert ist die Kirche, in mehreren Phasen, in der heutigen Form entstanden.

Lügde, Kilianskirche

Kirche St. Kilian. Foto: Manfred Willeke

Die Kilianskirche war ursprünglich als Urpfarrkirche von eminenter Bedeutung. Erst als 1312 eine Kirche innerhalb der Stadtmauern Lügdes entstand, ging diese Bedeutung verloren.
Da innerhalb der Stadtmauern wegen des hohen Grundwasserspiegels nicht beerdigt werden konnte, wurde die Kilianskirche mehr und mehr zur Beerdigungskirche. Dabei wurden innerhalb der Kirche nur Standespersonen, wie Mitglieder aus dem Grafenhaus Pyrmont und anderer Ritterfamilien, später Bürgermeister und Geistliche beerdigt. Die Aufsicht über die Kilianskirche hatte seit dem Mittelalter ein Klausner, der 1394 in einer „Klause“ bei der Kirche wohnte. Er mußte u. a. die Glocke läuten und Gottesdienste vorbereiten. Die Klause wird 1627 noch erwähnt, dürfte aber in der Folge des 30-jährigen Krieg zerstört worden sein.
Unweit der Kilianskirche entstand im Spätmittelalter ein Siechenhaus, in dem hauptsächlich Leprakranke lebten.

Nach einer alten Sage wurde die Kilianskirche im Hochmittelalter zeitweise auch eine Wallfahrtskirche genutzt. Jede Nacht, so heißt es in der Sage, blühten vor der Kirche drei freurige Rosen, vor denen sich die Menschen zunächst fürchteten. Doch dann gruben sie an der Stelle wo die Rosen immer blühten und fanden ein Marienbildnis, das sie in der Kirche aufstellten. Wie jede Sage, hat auch diese einen wahren Kern. 1424 wird das schon bestehende Benefizium, d. h. die Stiftung und Ausstattung eines Marienaltares der „Lieben Frau“ in der Kilianskirche erwähnt, das auf die Grafen von Pyrmont zurückgeht. Der Marienaltar stand in der nördlichen Apsis, wie das 1938/39 freigelegte gotische Marienbild belegt und war der Mittelpunkt dieser mittelalterlichen, allerdings wohl ehr regionalen Wallfahrtsbewegung. 1505 und 1519 wurde die Ausstattung des Benefiziums der „Lieben Frau“ durch Stiftungen vermehrt und 1539 wird die Kilianskirche sogar als: „unseres lieben Frauen (Marien)Altares in derselben Frauenkirche vor Lügde“ bezeichnet.

Marienbild St. Kilian

Gotisches Marienbildnis über der südlichen Seiteapsis der Kirche St. Kilian (Die liebe Frau von Pyrmont)

1402 stiftete Graf Heinrich von Pyrmont das Benefizium der „hl. Katharina“ (Katharina von Alexandria), die sog. „Vikarie“ in der Kirche „außerhalb“ der Stadt“. Das Landvermögen dieser Stiftung wurde 1715 der Stellenausstattung des zweiten Geistlichen (Schulvikar) übertragen.

Im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts, während der Reformationszeit, wurden die romanischen Fresken in der Kilianskirche übertüncht und die alten Altäre entfernt. Der bauliche Zustand verschlechterte sich. Erst der seit 1624 tätige Gegenreformationspfarrer Johannes Nußbaum interessierte sich wieder für die Kirche. Er ließ 1629 das Dach reparieren, eine Glocke gießen, 1630 den Steinfußboden ebnen und neu belegen. 1627, 1633 und 1638 wurde die Kilianskirche im Zuge des 30-jährigen Krieges verwüstet, d. h. die Altäre entweiht, Gräber geöffnet und durchwühlt, die Kirchensachen und sogar die transportable Orgel -1632 vom Junker Burchard v. Post gestiftet- gestohlen. Pfarrer Johannes Nußbaum mußte letztere wieder einlösen und ließ sich 1640 eine geheime Kammer mit einem Vorgemach im Turm der Kilianskirche einbauen, wo er zeitweise wohnte und sich mit den Kirchsachen versteckte.
1638 haben der Pyrmonter Kanzler Dr. jur. Jobst Schneidewind und seine Ehefrau Agnes v. Wietersheim für die nördliche Seiteapsis einen (Marien)Altar gestiftet, der im gleichen Jahr zerstört, aber wieder hergestellt worden ist. Schneidewind wurde 1640 vor diesem Altar beigesetzt.
1666 stiftete Frau v. Luttersheim, nach dem Tod ihres Sohnes in Münster 100 Taler für ein Seelenamt, das vor dem von ihr geschenkten Seitenaltar an der Südwand (südliche Seitenapsis) gelesen werden sollte.
In der Kilianskirche stand 1652 noch die Armenkiste des Schneideramtes, die für mildtätige Spenden gedacht war, später aber leider entfernt worden ist.

Vor der Kilianskirche ließ Pfarrer Johannes Nußbaum 1656 eine Kapelle „Der schmerzhaften Mutter“ aus seinen Mitteln errichten. Er ist in der Kapelle beigesetzt worden. 1820 ist die Kapelle wegen Baufälligkeit leider abgerissen worden. Innerhalb des ehemaligen Kapellengebäudes sind später mehrere Pfarrer beigesetzt worden, deren Gräber bis heute erhalten geblieben sind.

Schon im 18. u. 19. Jahrhundert galt die Kilianskirche als „ehrwürdiges, altes Baudenkmal“ und wurde oft von Kurgästen, z. B. von König Friedrich dem Großen von Preußen und Johann Wolfgang v. Goethe aus dem nahen Fürstenbad Pyrmont besucht.
1744 und 1754 erfahren wir von Reparaturen der Orgel in der Kilianskirche, die vermutlich um 1700 eingebaut worden ist.

Aus dem bedeutenden Nachlaß des 1753 verstorbenen Lügder Pfarrers Heinrich Rockhaus, wurde u. a. auch die Kilianskirche in Stand gesetzt. Hauptsächlich ist damit das Mauerwerk gemeint, wie es in der Stadtrechnung des Jahres 1754 vermerkt ist. Besonders wichtig war die Errichtung eines Stützbogens, der nötig wurde, weil die Nordwand des Hauptschiffes durch das Gewölbe nach außen gedrückt wurde. 1780 ist die Umfassungsmauer der Kirche repariert und 1787 der Turmeingang erneuert worden, woran die noch heute vorhandenen Steine mit den jeweiligen Jahreszahlen erinnern.
1797, als die Stadtkirche durch den großen Stadtbrand stark in Mitleidenschaft gezogen und nicht mehr benutzbar war, wurden die Gottesdienste in der Klosterkirche, aber auch in Kilianskirche abgehalten.

Nachdem die Stadt Lügde an Preußen gefallen war, kam die Preußische Regierung 1803 zu der Ansicht, daß die Kilianskirche „entbehrlich“ sei, da sie nur einige Male im Jahr genutzt würde. Gott sei Dank ist sie daraufhin nicht abgerissen worden, wie es nach solchen Beurteilungen zumeist üblich war. Statt dessen ist die Umfassungsmauer 1821 wieder in Stand gesetzt und 1832 das Dach, auf Kosten des Königs Friedrich Wilhelm von Preußen (!), für 110 Taler repariert worden. 1862 ließ der Geheime Baurat Ferdinand von Quast aus Berlin (heute als Begründer der Denkmalpflege angesehen) die Fresken in der Apsis der Kirche freilegen, die wegen ihrer frischen Farbigkeit allgemein bewundert wurden. Leider sind sie dann bei der anschließenden Renovierung der Kirche 1872/73, durch Professor Witkop aus Berlin im Stile des Historismus übermalt worden.
Nach dem Abbruch der Pfarrkirche in der Stadt 1894, diente die Kilianskirche vorübergehend als Pfarrkirche. In die 1895 neu errichtete Pfarrkirche ist der wertvolle Rest eines Klappaltares aus dem 16. Jahrhundert, der bis dahin als Hauptaltar der Kilianskirche gedient hatte, übertragen worden. Die barocken Kirchenbänke aus der abgerissenen Stadtkirche, 1754 vom Lügder Tischler Philipp König angefertigt, kamen dahingegen in die Kilianskirche.
1928/37 wurde der Fußboden der Kirche erneuert und ein Teil der Grabplatten in die Seitenwände eingelassen. Stark beschädigte Grabplatten sind damals leider nicht wieder eingebaut worden.
1938/39 ist, unter Leitung des Provinzialkonservators Rave, durch den Kirchenmaler Hans Kästner aus Ahaus die gesamte Kirche untersucht und restauriert worden. Zunächst hat er die 1872/73 angebrachte Übermalung von Prof. Witkop in der Chorapsis entfernt. Danach sind in der gesamten Kirche die vielen Kalkschichten abgekratzt worden und es kamen in den Gewölben sog. Lebensbäume, Ranken und Sterne zum Vorschein. Über der nördlichen Seitenapsis fand sich ein gotisches Bildnis der Gottesmutter. Die ebenfalls freigelegten Reste der Fresken in den Seitenapsiden und über der Orgel am Turminneren, sind nicht weiter untersucht und -außer am Turminneren- wieder überstrichen worden.
Am 21. Januar 1941 besichtigten der päpstliche Nuntius Cesare Orsenigo und Bischof Winken aus Berlin die Kilianskirche. Sie ließen die Glocke läuten und sprachen ein Gebet.
1944 wurden durch eine Bombe zehn Fenster herausgeschleudert, die erst vier Jahr später wieder ersetzt werden konnten. Beim Einmarsch der Amerikaner am 5. April 1945 gab es einen kurzen Kampf mit einer versprengten SS-Abteilung, die sich auf dem Friedhof bei der Kilianskirche festgesetzt hatte. Es wurden viele Grabsteine beschädigt. Die Kirche blieb allerdings unbeschädigt und die SS-Abteilung floh schließlich über den Kirchberg in Richtung Weser.

Kilianskirche Lügde, Ansicht 2014

Innenansicht der Kirche St. Kilian. Foto: Juritz/Lügde 

Durch starken Frost im Winter 1954/55, kam es zu schweren baulichen Schäden an der Chorapsis der Kirche. Es zeigten sich immer mehr Risse. Bei Bauuntersuchungen stürzte am 13. Dezember 1955 der Gurtbogen über dem Hochalter ein, wodurch ein halber Quadratmeter des historischen Freskos zerstört wurde. 1956 wurde daraufhin das hoch angefüllte Erdreich an der Apsis abgetragen. Die Grundmauern der Apsis, die nur 0,30 m tief waren, wurden mit einem Betonfundament unterfangen. Bei der Untersuchung der Fresken in der Apsis stellte sich heraus, daß von der Mandorla (Jesus als Weltenrichter) nur ganz geringe Teile ursprünglich, große Teile der sie umgebenden Figuren allerdings noch romanisch sind. 1958 ist der eingestürzte Gurtbogen erneuert worden. Die zur Sicherheit abgenommene „Majestas Domini“ in der Apsiskalotte ist, soweit sie noch aus dem 13. Jahrhundert stammt, 1961 wieder angebracht und in Grisaille (Grau- in grau Technik) von Scholley aus Stuttgart und Fernkorn aus Beckum ergänzt worden.
1970-76 ist die Kirche, unter Leitung des Architekten Stiegemann, insgesamt renoviert worden. Dächer und Fassaden wurden gänzlich überholt. Die Restaurierungen des Kirchemalers Hans Kästner aus dem Jahre 1939 wurden von der Firma Ochsenfarth aus Paderborn gereinigt und gefestigt. Weitere Untersuchungen sind nicht durchgeführt worden.
Die alte Orgelbühle und Orgel aus dem 18./19. Jahrhundert wurde leider ersatzlos entfernt.
Im Inneren der Kirche führte das Westf. Denkmalamt unter Dr. Lobbedey Grabungen durch.
In der Mitte der Vierung wurde abschließend ein neuer Zelebrationsaltar errichtet, den Weihbischof Dr. theol. Paul Cordes am 26. Juni 1976 einweihte. Der rund 800 Jahre alte romanische Taufstein der Kilianskirche ist 1972 in die Stadtkirche übertragen worden.
2009 sind die Chorfenster mit Mitteln aus der Schwering & Hasse-Stiftung restauriert worden. 2010 ist die Kilianskirche gründlich restauriert und die Innenausmalung erneuert bzw. gefestigt worden.

VOM BURGORT ZUR STADT LÜGDE
Das Gebiet um Lügde war im ausgehenden ersten Jahrtausend wohl eher dünn besiedelt, wie eine Urkunde König Heinrich II. aus dem Jahre 1005 belegt. Darin heißt es, daß zwischen den Flüssen Emmer, Wörmeke und Niese alles bewaldet war.
1031 schenkte Kaiser Konrad II. dem Paderborner Bischof Meinwerk den Hof Dodenbrock bei Lügde, den dieser der Pfarrei der Kilianskirche zuordnete. Zwischen 1052-1076 genehmigte Bischof Imad von Paderborn die Gründung einer neuen Pfarrei im benachbarten Dorf Oesdorf, der er die bis dahin zum Lügder Pfarrbezirk gehörigen Dörfer Oesdorf, Löwensen und Vesper zuordnete.
Eigentümer der Gegend um Lügde waren im 11./12. Jahrhundert die Grafen von Schwalenberg, von denen sich ein Zweig seit 11(84)87 Grafen von Pyrmont nannte. Noch vor 1195 hat der Erzbischof von Köln, nach damaligen Rechtsverhältnissen neben dem König dazu berechtigt, den Grafen von Pyrmont das Münzrecht für Lügde verliehen, mit dem Markt- und Zollrechte verbunden waren. Aus der Zeit um 1195 ist die erste Münze bekannt, die die Grafen von Pyrmont in der Civitas Lude, d. h. dem befestigten Ort Lügde prägen ließen. Die Tatsache, daß die Münzstätte den bereits 784 erwähnten Namen des Altortes trägt, läßt vermuten, daß damals bereits eine nicht unbedeutende Ansiedlung (Burgort) bestanden hat. Für die weitere Entwicklung Lügdes war die Lage an dem vorbeiführenden, bedeutenden mittelalterlichen Verkehrsweg von Paderborn nach Hameln und dem Flußübergang (Emmerfurt) wichtig. Aus diesem Blickwinkel heraus, wird die Verleihung des Münzrechtes verständlich. Die Grafen besaßen damals bereits ein festes Haus in Lügde, das bzw. dessen Nachfolgebau am Oberen (südlichen) Stadttor der Stadt Lügde lag und bis zum Erlöschen des Hauses Pyrmont 1494/98 ihr Wohnsitz innerhalb der Stadt war. Die Lage, unweit der Emmerfurt, war strategisch günstig gewählt. Gegenüber der Kirche St. Kilian gelegen, war von hier aus das ganze Emmertal zu übersehen. Das Flüßchen Emmer bot dazu, als Wehrgraben genutzt, Schutz vor Angreifern und die Möglichkeit des weiteren Ausbaus. Lügde dürfte langsam, aber stetig gewachsen sein. Neue Einwohner werden sich vermutlich in kleinen Hütten, als Schutz vor dem Hochwasser der Emmer vielleicht auf kleinen Warften angesiedelt haben. Die Gründung und Entstehung der Stadt Lügde kann somit also nicht als Momentaufnahme, sondern als Entwicklung über einen längeren Zeitraum hinweg gesehen werden. Es ist daher wohl berechtigt, eher von der Stadtwerdung Lügdes zu sprechen.

Lügde, alte Residenz der Grafen von Pyrmont am Oberen Stadttor

Rekonstruktion der Residenz der Grafen von Pyrmont innerhalb der Stadt Lügde

Nach 1203 siedelten sich im Bereich des Brückentores (Hintere Straße 28-38) die Ritter v. Kanne an. Wie weit die Stadtplanung damals gediehen war, läßt sich heute nicht mehr genau sagen. Der damaligen Befestigungsauffassung folgend, wurde an jedem der Stadttore ein Ritter- bzw. Burgsitz zur Verteidigung angesiedelt. Die Ansiedlung der ebenfalls aus dem Gefolge der Grafen von Pyrmont stammenden Ritter v. Rebock in der Mitte der heutigen Stadt (Vorderen Strasse Nr. 49) läßt vermuten, daß der Befestigungsbau der Stadt an dieser Stelle zunächst unterbrochen worden ist. Dabei müssen wir uns von der heute oft geäußerten Vorstellung verabschieden, daß die Stadt gleich nach der Gründung mit Mauern umgeben worden ist, sofern nicht noch Befestigungsanlagen des Altortes vorhanden waren. Die Festungsanlagen dürften zunächst aus einem Wehrgraben bzw. einem umgeleiteten Emmerarm und Holzpalisaden, die aus den Lügde umgebenden Wäldern leicht zu beschaffen waren, bestanden haben.
Vermutlich um sich aus dem engen Lehns- und damit Abhängigkeitsverhältnis zum Erzbischof von Köln zu lösen, schlossen sich die Grafen von Pyrmont der gegnerischen Partei an und unterlagen 1254. Der Sieg des Erzbischofs von Köln hatte für die Grafen von Pyrmont verheerende Folge. Dieser nahm die gesamte Burg Pyrmont in Besitz und entzog ihnen das Lehnsrecht ihrer Hälfte. Um wenigstens einen Teil ihres Besitzes, d. h. der Grafschaft Pyrmont und der entstehenden Stadt Lügde zu retten, mußten sich die Grafen von Pyrmont dem Wunsch des Erzbischofs von Köln fügen. Dieser diktierte ihnen am 23. Juli 1255 eine Urkunde, mittels der sie dem Erzbischof die Hälfte ihrer „opido Luthe“ = Stadt Lügde, als Besitz einräumten und diese als Lehen wieder empfingen. In dieser Urkunde wird Lügde erstmals als „Opido“ = Stadt bezeichnet. Der Erzbischof verpflichtete sich, die Hälfte der Kosten zu tragen, die für die Stadtbefestigung noch aufzuwenden waren. Wir können also davon ausgehen, daß der Bau der Stadtbefestigung noch nicht abgeschlossen war. Erst mit dem Bau des Burgsitzes der Ritter v. Post am Niederen (nördlichen) Stadttor (Kanalstraße 19-21), konnte der Bau der Festungsanlagen und damit auch der Stadtwerdungsprozeß abgeschlossen werden. 1314 wird Lügde erstmals als „Castrum“ = Festung bezeichnet.

Lügde um 1580, M. W.

Ansicht der Stadt Lügde um 1580

Das erste Stadtrecht, das die Grafen von Pyrmont der Stadt Lügde verliehen haben, war, wie wir aus einer Bestätigungsurkunde des Jahres 1339 schließen können, das „Lippischen Recht“. Damit ist eine Art Rahmengesetz gemeint, nach dem Vorbild des Rechtes der Stadt Lippstadt, das ursprünglich auf Soester bzw. Dortmunder Recht fußt. Im Wesentlichen handelt es sich um die folgenden sechzehn Punkte:
1. Blutrunst (Körperverletzung), ohne scharfe Waffen, richtet der Rat. Die Einnahmen daraus sind für die Befestigung der Stadt.
2. Die Aufsicht über Maße und Gewichte unterliegt dem Rat.
3. Ein Bürger darf einen Mitbürger nicht außerhalb der Stadt vor Gericht ziehen. Das Gerichtsrecht obliegt der Stadt.
4. Wenn ein Bürger seinen Mitbürger tötet und gefangen genommen wird, soll das Urteil gesprochen werden. Haus und Besitz fallen an den Stadtherren.
5. Jahrmarktfreiheit, d. h. während des Jahrmarktes werden keine Strafen verhängt.
6. Diebstahlgut eines Bürgers fällt innerhalb der Stadt dem Richter zu.
7. Wer ein Jahr und einen Tag unangefochten in der Stadt lebt, soll freier Bürger werden.
8. Ohne Einwilligung der Bürger kann der Stadtherr weder Ratsherren noch Richter einsetzen. (1255 werden bereits Ratsherren erwähnt, denen aber ein Richter, d. h. ein gräflicher Beamter vorsaß)
9. Die Bürger dürfen Wald- und Weide nutzen.
10. Wenn ein Bürger seinem Mitbürger mit Bauen oder Zäunen zu nahe kommt, soll dies der Richter untersuchen und den Ratsherren zur Urteilsfällung überweisen.
11. Wenn ein Bürger stirbt und innerhalb der Stadt keine Erben hat, so soll der Rat das Vermögen in Beschlag nehmen. Wenn sich binnen eines Jahres kein Erbe meldet, soll es der Stadt oder dem Stadtherren zufallen.
12. Regelung der Unzucht bzw. Ehebruchs.
13. Gewährung der Zollfreiheit der Bürger.
14. Anteil der Strafgelder von Bürgern an den Richter.
15. Niemand soll vom Stadtherren außerhalb der Stadt zur Verantwortung gezogen werden.
16. Vom Stadtherren soll keine Burg oder ein Gebäude in der Stadt genehmigt oder errichtet werden, das die Stadt bedrückt, es sei denn mit Genehmigung der Bürger.

Das Stadtrecht wurden Lügde in den folgenden Jahren bestätigt:
-20.6.1339 Sivard von Homburg bestätigt dem Weichbild Lügde das Lippische Recht, das er vorfindet
-10.9.1360 Siverd von Homnburg –wie 1339-
-10.9.1360 Bischof Baldewin von Paderborn will das Weichbild Lügde beim Lippischen Stadtrecht belassen
-1362 Bischof Heinrich von Paderborn verspricht das Weichbild Lügde beim Lippischen Recht zu belassen
-8.1.1399 Bischof Heinrich von Paderborn -wie 1362-
-15.3.1416 Bischof Dietrich von Köln und (Fürst)Bischof von Paderborn -wie 1362-
-8.10.1533 Erzbischof Hermann von Köln und gleichzeitig (Fürst)Bischof von Paderborn bestätigt Rat und Bürgermeistern von Lügde alle Freiheiten, Gewohnheiten und Rechte, wie es seine Vorgänger schon getan haben
-8.10.1548 Bischof Rembert von Paderborn -wie 1533-
-15.1.1619 Erzbischof Ferdinand von Köln und Paderborn bestätigt der Stadt Lügde, nach der Huldigung, ihre gewohnten Rechte und Freiheiten

Im Laufe der Zeit gelang es der Stadt, wie sich aus den vorliegenden Urkunden ersehen läßt, dieses ursprüngliche Stadtrecht wie folgt zu erweitern:
1. Erweiterung des Stadtrechtes um 1272
-Bürgermeisterwahl durch den Rat, der den gräflichen Richter als Vorsteher ersetzt

2. Erweiterung des Stadtrechtes um 1320-50
-Instandhaltung der Stadtbefestigung
-Präsentationsrecht des Stadtpfarrers
-Städtische Steuern für Dienste wie Nachtwache, Gebäude, Strassen und Schützen=Schützenverein (heute St. Kilian-Schützenbruderschaft Lügde e.V.)

3. Erweiterung des Stadtrechtes um 1400
-Hägerrecht/gut, Zusammenschluss der Oster- und Schledenhäger Gesellschaften zu sog. Landbesitzergenossenschaften innerhalb der Stadt (ähnlich den Zünften mit Vorstand pp)

4. Erweiterung des Stadtrechtes unter dem letzten Grafen von Pyrmont nach 1466
-Städtisches Holzrecht (vor 1480)
-Mühlenwesen- und Wasserrechte (Fluß Emmer) bzw. auch Fischereirechte (Schlagbaumfischerei)

5. Erweiterung des Stadtrechtes nach dem Aussterben der Grafen von Pyrmont seit 1500
-Jagdrecht
-Rechtserweiterung, Acziese (d. h. Sondersteuer) an allen Jahrmärkten, 1512 und 1589 bestätigt
-Hergewedde und Gerade (d. h. hinterlassenes Sondervermögen von Männern und Frauen), 1588 und 1597 Neuregelung zu Gunsten der Stadt
-Neuregelung der Schaftrift zu Gunsten der Stadt
-Holznutzung ganz in der Hand der Stadt
-Hudegerechtigkeit ganz in der Hand der Stadt

AUS DER STADTGESCHICHTE VON LÜGDE
Nachdem es 1255 bereits einen Stadtrat gab, sind seit 1272 auch Bürgermeister belegt – Ausdruck gewachsener Bürgermacht! / 1310 Der Erzbischof von Köln überläßt dem Ritter Friedrich v. Post für zehn Jahre u. a. das Stadtgericht in Lügde. / 1312/53 Bau der Stadtkirche, geweiht der Gottesmutter (St. Marien). / 1337 Erzbischof Walram von Köln setzt den Grafen Hermann von Everstein als Amtmann über den Kölner Teil der Stadt/Amt Lügde (d. h. auch der Grafschaft Pyrmont) ein. / 1354 Vor dem Freigrafen, dem Graf Hermann von Pyrmont und dem Richter übertragen Johann v. Huckenhausen und sein Bruder Winand dem Kloster Marienfeld (bei Harsewinkel im Münsterland) ihr Haus (Mittlere Straße Nr. 26), Hof, Gärten und andere Güter in der Grafschaft Pyrmont. / 10. Mai 1360 Bürgermeister und Rat der Stadt Lügde befreien dem Kloster Marienfeld, gegen eine Zahlung von 25 Mark lötigen Silbers, das von demselben erworbene Haus derer v. Huckenhausen in Lügde (Mittlere Straße Nr. 26) von der Abgabe für die Nachtwache (d. h. den Kosten für den Nachtwächter). Das Kloster mußte aber, wie jeder andere Bürger, die üblichen Abgaben für das Borgwerk=Stadtbefestigung und die Wapene=die Bürgerwehr bezahlen. Diese einstige Bürgerwehr besteht bis heute als Schützenverein, der 1950 als „St. Kilian-Schützenbruderschaft Lügde e.V.“ ins Vereinsregister eingetragen worden und damit die älteste Vereinigung der Stadt ist! / 6. September 1360 Die Grafenbrüder Hermann und Heinrich von Pyrmont übertragen eine Hälfte ihrer Herrschaft Pyrmont und der eine Hälfte ihres Teiles der Stadt Lügde an den machtpolitisch bedeutenden (Fürst)Bischof Baldewin von Paderborn bzw. das (Fürst)Bistum. Der (Fürst)Bischof verspricht ihnen dafür, ihnen bei der Wiedererlangung der „abgenötigten Güter“ zu helfen. / 1367 Der Knappe Johann v. Kollerbeck verkauft der Stadt Lügde Land „zum Graben“ einer Landwehr, d. h. einer einfachen Schutzanlage um die Feldmark. / 1370 Der Erzbischof von Köln bestellt (Fürst)Bischof Heinrich von Paderborn zum Marschall von Westfalen. Dadurch kam Paderborn, zunächst begrenzt, auch in den Besitzer der Kölner Anteile der Grafschaft Pyrmont. Durch geschickte Pfandgeschäfte gelang es dem (Fürst)Bischof von Paderborn 1377 schließlich, die Kölner Anteile der Grafschaft Pyrmont zu erwerben. Seitdem gehörten die Grafschaft Pyrmont und die Stadt Lügde ganz zum Gebiet des (Fürst)Bistums Paderborn. / 1392 Bürgermeister und Rat der Stadt Lügde leihen sich vom Kloster Busdorf in Paderborn 204 Rheinische Goldgulden. Diese Schuld ist erst 1783 zurückbezahlt worden. / Die Grafen von Pyrmont erwarben 1393 pfandweise das benachbarte Amt Ottenstein und vergrößerten die Grafschaft Pyrmont damit bis nach Grave an der Weser. / 1403 In der ältesten erhaltenen Rechnung der Grafschaft Pyrmont, werden u. a. Aufwendungen für das (Bier)Brauen und der Katharinenmarkt (=Weihnachtsmarkt) erwähnt. / 1413 u. 1423 Die Herzöge von Braunschweig nehmen die Stadt Lügde auf neun Jahre in ihren Schutz. / Die Grafen von Pyrmont erwaben 1448 die Hälfte des Poller Schlosses und Weichbildes (Gebietes), zu dem u. a. auch Brevörde und Heinsen gehörten. / 1466 In der gräflich Pyrmonter Rechnung dieses Jahres wird das „Hägergut“, d. h. die Sonderrechte der Häger= Oster- und Schledenhäger Gesellschaften erwähnt. Das waren Landbesitzergenossenschaften aus den wüst gefallenen Dörfern Oster- und Schledenhagen, deren Einwohner im 14. Jahrhundert in die Stadt gezogen waren. Nach Aufstellung der Grundbücher 1827/32, sind diese beiden Gesellschaften aufgelöst, d. h. der Besitz unter den Mitgliedern aufgeteilt worden. / 1488/97 Ein Grundstück bei der Steinkuhle am Osterberg wird als „Papageienbreite“ bezeichnet. Das weist auf die seit dem 14. Jahrhundert in Deutschland verbreitete und damit auch von der Lügder Schützenvereinigung (heute St. Kilian-Schützenbruderschaft Lügde e.V.) gebräuchliche Tradition des Vogelschießens hin, über die bereits Siegurd Graf v. Pfeil in seinem Buch: Schützen und Schützenfest in Niedersachsen, Göttingen 1975, S. 150/75, berichtet. Diese Schießübungen, bei der stets ein Sieger=Schützenkönig ermittelt wurde, fanden wegen der Feuergefahr immer in Steinkuhlen=Steinbrüchen außerhalb der Städte statt. / / 1494 verstarb der letzte Pyrmonter Graf, Moritz von Pyrmont und 1498 seine Ehefrau Gräfin Margarethe, geborene Gräfin von Nassau-Beilstein, Witwe von Schöneck und Vianden. Da sie keine Kinder hatten, kam es zu einem teils erbitterten Streit um den Besitz der Grafschaft Pyrmont, die der (Fürst)Bischof von Paderborn als „heimgefallenes“ Lehen betrachtete. / 1525 wurde den seit 1494/98 regierenden Grafen zu Spiegelberg vom (Fürst)Bischof von Paderborn offiziell der teilweise (Lehns)Besitz der Grafschaft Pyrmont zuerkannt. / 1526-36 Graf Friedrich zu Spiegelberg und Pyrmont läßt beim Dorf Holz-hausen die Festung (Schloß) Pyrmont errichten. Nach der Fertigstellung der Festung (Schloß) Pyrmont, wurde die ehemalige Pyrmonter Residenz am Oberen (südlichen) Stadttor von einem „Gräflichen Vogt“ bewohnt und danach bald „Vogtshof“ genannt. Nach 1600 ist der „Vogtshof“, die ehem. Pyrmonter Residenz aus dem Stadtbild verschwunden. 1657 heißt es in der handschriftlichen Pyrmonter Chronik von Johann H. Seiler dazu: „Mauritius Graff von Piermont …hat in der Stadt Lügde vorm oberen thor welcher platz Jez wüst liegt und der freie Hoff genandt wirdt… residiret…“. 1684 war der Platz 2 ½ Morgen groß. 1719 heißt es in der Fürstbischöflichen Amtsrechnung: „…der Amts- oder Vogtshof in Lügde, (ist eine) ¾ Morgen groß, niedrig und mit Wasser überflutet“. 1748 erwarb die Stadt das Gelände vom Paderborner Fürstbischof und ließ es planmäßig bebauen. / 1539 richtete ein Emmer-Hochwasser in der Stadt großen Schaden an. / 1548 brannte die Stadt fast ganz nieder. / 1555 Auf Bitten der Lügder Bierbrauer stiftet der Stadtrat das „Brauamt“, eine Art Brauerzunft. / Im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts setzte sich die Reformation in Lügde durch. / 1582 wurde der heute noch bekannte Kartograph Johannes Michael Gigas, als Sohn eines evangelischen Geistlichen, in Lügde geboren. / 1582 Stiftung des Schusteramtes (Zunft). / 1583/84 Im Erbfolgekrieg zwischen der Gräfin Walburga zu Gleichen- Spiegelberg und Pyrmont und dem Erzbischof Heinrich von Bremen und Paderborn, um den Besitz der Grafschaft Pyrmont, gab es vier Großangriffe auf die Stadt Lügde. Nach der vermutlich sehr übertriebenen Schadensliste, hatten die „Gleichischen Soldaten“ 40 Pferde, 100 Schafe, 8 Hammeln, 14 Schweine, 1 Sau, 86 Rinder, 161 Kühe, 12 Kälber, 3 Ochsen von den Wiesen entwendet. Ferner gab es 16 Verletzte, 3 Tote, 6 Verwundete (Soldaten) und 5 Gefangene. /

Grafschaft Pyrmont um 1580, Org. Museum im Schloß Pyrmont

Die Grafschaft Pyrmont um 1580/90. Unten ist das seit 1526 errichtete Schloß Pyrmont, in der Mitte der Hauptort, die Stadt Lügde zu erkennen. Foto: Museum im Schloß Pyrmont

Um 1590 Zwei jüdische Kaufleute gründen die Jüdische Gemeinde Lügde. / 1598 Wie eine Notiz aus diesem Jahr belegt, hatte der Schützenverein (heute St. Kilian-Schützenbruderschaft Lügde e.V.) inzwischen einen eigenen „Schützenhof“, d. h. ein Versammlungshaus vor dem Brücken(Stadt)tor errichtet -am Fluß Emmer-. / 1601 Der Schützenverein Lügde (heute St. Kilian-Schützenbruderschaft Lügde e.V.) wird zum damals schon weithin bekannten Schützenfest in Hannover eingeladen. / 1607 Erste Erwähnung des Schneider- und Schmiedeamtes (Zunft). / 1624, Weihnachten Weihbischof Johannes Pelking aus Paderborn führte in der Stadt Lügde die Gegenreformation durch. / 1629 Im Rahmen eines privaten Gerichtsprozesses wird erstmals ein Grundstück „Am Osterfeuer“ (bei der Steinkuhle) am heutigen Osterberg erwähnt. / 1647 Stiftung des Bäckeramtes (Zunft). / Am Ende des 30-jährigen Krieges 1648, war ein Drittel der Stadt zerstört und die Bevölkerung völlig verarmt. / 1659 Stiftung des Leineweberamtes (Zunft). / Am 14. März 1668 einigten sich Fürstbischof Ferdinand von Paderborn und die Grafen zu Waldeck, nach 174 Jahren (!), über den strittigen Besitz der Grafschaft Pyrmont. Die Grafen erhielten neben dem Schloß Pyrmont und den Mineralquellen, die Dörfer Holzhausen (mit dem ehemaligen Nachbardorf Huckenhausen zusammengewachsen), Hagen, Oesdorf, Löwensen, Thal, Neersen, Baarsen, Eichenborn, Großen- und Kleinenberg. Der Fürstbischof von Paderborn erhielt die Stadt Lügde. Bürgermeister, Rat und Einwohner der Stadt Lügde protestierten erfolglos gegen die Teilung der Grafschaft Pyrmont, denn dadurch wurde die Stadt zu einer Enklave und verlor ihr Umland, das für die weitere Entwicklung der Stadt bzw. von Handel und Gewerbe in derselben wichtig gewesen wäre. Die Grafen/Fürsten zu Waldeck u. Pyrmont entwickelten Pyrmont zu einem der bedeutendsten Kurorte im damaligen Europa, wovon die Einwohner Lügdes zwar auch profitierten, aber nicht in dem Maße wie sie es als Hauptort der Grafschaft Pyrmont hätten tun können. /

Lügde 1665

Ansicht der Stadt Lügde, 1665 vom Paderborner Hofmaler Fabricius gemalt. Orig.: Theodoranum Paderborn, Kopie: Fritz Drewes. Foto: Juritz/Lügde 

Der Landesherr und Fürstbischof von Paderborn ordnete nach dem Stadtbrand von 1670 an, die Zahl der Strohdächer zu verringern und genehmigte 1672 die Neuerrichtung des Ziegelofens, die Meister Weck 1678 in Angriff nahm. / 1692 legte Meister Peter Illa aus Polle „auf Hohenborn“ beim Dorf Holzhausen, allerdings zum Gebiet der Stadt Lügde gehörig, eine Papiermühle an. Papiermüller waren hier seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert Mitglieder der Familie Spies, die aus der heute noch existierenden Hahnemühle bei Dassel/Einbeck stammen. / 1696 Die Fürstbischöfliche Regierung in Paderborn gestattet die Einfuhr von auswärtigem Bier. / 1699 Fürstbischof Hermann Werner von Paderborn ordnet das Lügder Brauamt und erläßt eine neue Ordnung. / 1708 Fürstbischof Franz Arnold von Paderborn genehmigt den Aufenthalt von vier Franziskanern in Lügde (Missionsstation). 1720 schenkte der Sohn des Lügder Bürgermeisters, Melchior Wolfgang v. Nueber, Kanonikus auf dem Petersberg in Brünn (Mähren), den vier Franziskanern sein Elternhaus am Niederen (nördlichen) Stadttor. Daraufhin genehmigte Fürstbischof Clemens August von Paderborn 1736 die Gründung eines Franziskanerklosters, unter dem Patronat des Bistumsheiligen Liborius, dessen Jahresgedächtnis der Übertragung der Gebeine des Heiligen (836) gerade gefeiert wurde. 1745 wurde mit dem Bau begonnen, der mit der Weihe der Kirche 1757 abgeschlossen werden konnte. /

Lügde, Kloster St. Liborius

Ehemaliges Franziskanerkloster. Foto: Juritz/Lügde

1715 Fürstbischof Franz Arnold von Paderborn genehmigt die Gründung einer Schulvikarie, um den Unterricht der Schüler in Lügde zu verbessern. / 1732 Durch einen Stadtbrand wurden 22 Häuser an der Mittleren Straße zerstört. / 1743 Bei der Synodalvisitation „befahl“ Generalvikar von Wydenbrück aus Paderborn, den Bürgermeistern und Ratsherren der Stadt Lügde, den Lauf der sechs Osterräder „vollig abzuschaffen!“, weil es dabei zuviel „Sünde und Scandal“ gäbe. Damals liefen die Osterräder noch von drei Ablaufstellen, vor jedem Stadttor zwei, ins Tal. / 1754 Stiftung des Büttneramtes (Zunft). / 1756-63 Durch den 7-jährigen Krieg geriet das Fürstbistum Paderborn an den Rand des wirtschaftlichen Ruins. Truppendurchmärsche, Gefechte, Einquartierungen, Natural- und Geldabgaben an das französische und preußische Heer betrugen mehr als sieben Millionen Taler. Auch die Stadt Lügde wurde schwer in Mitleidenschaft gezogen und war am Kriegsende fast gänzlich bankrott. 1766 mußten die silberne Bürgermeisterkette und der silberne Schützenvogel verkauft werden. Die Stadt beschlagnahmte sogar die Stadtwälle und den Schützenhof am Brückentor, die bisher im Besitz des Schützenvereins (heute St. Kilian-Schützenbruderschaft Lügde e.V.) waren und verpachtete sie als Heu- und Viehwiese an verschiedene Bürger. / 1764 Die seit Ende des 16. Jahrhunderts bestehende Jüdische Gemeinde erwarb ein Haus und richtete darin eine Synagoge und Schulräume ein. Seit 1736 hatte die Gemeinde bereits einen eigenen Gebetsraum gemietet. Vor dieser Zeit haben die Gottesdienste wohl in den Wohnungen der einzelnen Mitglieder stattgefunden. /

Lügde, Conrad Pyrach 1724

Ansicht der Stadt Lügde von Johann Conrad Pyrach, 18. Jahrhundert

1772 Erste Erwähnung des Schreineramtes (Zunft). / 1774 Fürstbischof Wilhelm Anton von Paderborn verbietet den Kaffeegenuß im Fürstbistum. / 1782 Fürstbischof Friedrich Wilhelm von Paderborn reduziert die Zahl der kirchlichen Feiertage und verbietet den Lügder Einwohnern 1785 den großen Aufzug (Passionsspiele) bei der Karfreitagsprozession. / 1790, 22. März Durch einen Stadtbrand wurden innerhalb weniger Stunden 53 Häuser im oberen Teil der Hinteren- Mittleren und Vorderen Straße zerstört. Der Schaden der abgebrannten Häuser belief sich auf rund 8860 Reichstaler. 1793 entstand erneut ein Brand, dem aber dank des beherzten Eingreifens der Einwohner nur vier Häuser zum Opfer fielen. / Am 13. September 1797 brannten innerhalb eines Tages 256 Häuser, Rathaus und Kirche ab. 26 Gebäude wurden nicht wieder errichtet. Daraufhin sollte die Stadt erweitert und verändert werden, weshalb Fürstbischof Franz Egon von Paderborn eigens eine Kommission nach Lügde schickte, die allerdings nichts ausrichtete. Innerhalb eines Jahres wurde die Mehrzahl der Häuser an Ort und Stelle wieder aufgebaut. / Am 6. August 1802 besetzten Preußische Jäger unter Oberstleutnant v. Dombrowsky die Stadt Lügde, die sich mündlichen Überlieferungen zufolge noch einen Tag der Besetzung widersetzte. Lügde gehörte nun zum Königreich Preußen und wurde dem Kreis Brakel bzw. dann dem Kreis Höxter zugeordnet. Nach einer damals durch die preußische Regierung angefertigten Beschreibung, nach weitreichenden Forschungen des Verfassers ergänzt, gab es damals in Lügde: Einen Adelssitz der Familie v. Post (Mittlere Straße 22); Eine Jüdische Gemeinde mit 77 Mitgliedern; Die Stadt ist in vier Stadtviertel -Oberes bzw. Osterhäger Viertel, Unteres- bzw. Oldenlüder Viertel, Nederes- bzw. Vesper Viertel und Viertes bzw. Schledenhäger Viertel, eingeteilt; Zur Stadt Lügde gehört der kleine Ort Harzberg, dessen Ländereien dem Fürsten zu Waldeck und Pyrmont gehören bzw. dafür an diesen Abgaben zu zahlen/liefern sind; Der Schützenverein begleitet die Fronleichnams- und Karfreitagsprozessionen und nimmt polizeiliche Aufgaben wahr. Er ist in 10 Rotten aufgeteilt, hat einen Vorsitzenden -Bürgermeister Theodor Barkhausen- und neun Generale. Ein Schützenkönig ist schon seit 1791 nicht mehr ausgeschossen worden; An weiteren Zusammen- schlüssen existieren in der Stadt die Todesangst- Rosenkranz- und Sakramentsbruderschaften, alle mit religiösem Hintergrund; „Auf“ der Papiermühle wird vom Papiermeister Spies ein Ausflugslokal für Pyrmonter Kurgäste betrieben. In der Stadt gibt es sieben Krüge/Gaststätten; Jedes Jahr finden vier Jahrmärkte statt, zu Mittfasten, Johanni, Kreuzerhöhung und Katharina (Weihnachtmarkt); An Handwerkerzusammenschlüssen existieren das: Schuster- Schneider- Bäcker- Schmiede- Leineweber- und Schreineramt. Daneben gibt es noch das (Bier)Brauamt und die Landbesitzergenossenschaften Schleden- und Osterhäger Gesellschaft; Innerhalb des Lügder Gebietes gehören fünf Zehnten, rund 1600 Morgen Land, dem Fürsten zu Waldeck und Pyrmont, an den Abgaben zu zahlen/liefern sind; Angestellt bzw. besoldet werden von der Stadt: Der Bürgermeister, sein Stellvertreter, die Ratsherren, der Kirchenküster, Ratsdiener, Förster, Feldhüter, Nachwächter, Nachtwächter und Polizeidiener, zwei Schließer der Stadttore -Oberes- und Niederes Tor-, Feldhüter; Die Stadt muß für 5320 Reichstaler (z. T. in Gold) Schulden Zinsen bezahlen; Es gibt Prozessionen zu Karfreitag, Ewiger Anbetung, Markustag (25. April), zwei Bittprozessionen, eine Fronleichnams- und eine Sakramentsprozession; Der Osterräderlauf (der in der Beschreibung nicht erwähnt wird) wird von den drei Bürgerzusammenschlüssen/ gesellschaften am Niederen- Oberen und Brückentor veranstaltet. / Von 1806/07-1813 gehörten die Stadt Lügde und das Dorf Harzberg zum Königreich Westfalen, Departement Fulda. Während dieser Zeit wurde das Franziskanerkloster in Lügde aufgehoben und verkauft. König Jeromé von Westfalen verschenkte die Orgel des Klosters an die Gemeinde Wilhelmshausen oberhalb von Hann.-Münden, wo sie den Zeitenlauf bis heute überdauert hat. / Mitglieder des preußischen Königshauses bemühten sich im 19. Jahrhundert persönlich um die Belebung der zurückgegangenen, traditionellen Spitzenklöppelei und des Handels mit derselben, die im 17. und 18. Jahrhundert, besonders im Bereich der Gold- und Silberspitze, sehr bedeutend war. Die Maschinenspitze verdrängte die handgefertigte Spitze aber schließlich vom Markt. / Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts gewann die Tabak- und Zigarrenindustrie besondere Bedeutung. Trotzdem sahen viele Menschen, besonders die seit dem Ende des 16. Jahrhunderts in Lügde ansässigen jüdischen Kaufleute, sowie Handwerker- und kleinere Bauern keine Zukunft mehr in ihrer Heimat und wanderten nach Nordamerika und teilweise sogar nach Südafrika aus. /

60 Heimatdichter Joseph Seiler 1870

Heimatdichter und Komponist Joseph Seiler (1823-77). Foto: Dr. J. Seiler/München (+)

1823 wurde in Lügde der heute noch bekannte Komponist und Heimatdichter Joseph Seiler geboren, dessen Vorfahren seit dem 16. Jahrhundert in der Grafschaft Pyrmont und dann in der Stadt Lügde als Kanzler, Amtmänner, Bürgermeister und Stadtsekretäre (d. h. Verwaltungsleiter) eine bedeutende Rolle gespielt haben. Joseph Seiler war u. a. mit Franz Liszt und den Brüdern Grimm befreundet. Er verstarb 1877 in Münster/Westfalen. / 1832 Der Schützenverein (heute St. Kilian-Schützenbruderschaft Lügde e.V.) ist nach der Aufhebung in der Napoleonischen Zeit reorganisiert worden. Erster Schützenkönig ist J. Mundhenk, Schützenkönigin Wilhelmine Freifrau v. Post geb. Gräfin Zedtwitz, die dem Vereine 1833 eine Fahne stiftete. / 1839 Kronprinz Wilhelm von Preußen besucht Lügde. / 1853 wird erstmals seit 1624 wieder ein evangelischer Gottesdienst in Lügde gefeiert. Die kleine evangelisch-lutherische Gemeinde errichtete 1864 an der Stadtmauer die St. Johanniskirche, die 1903 durch einen Turmanbau erweitert wurde. /

2. Regenbogen Kirche und Gemeindehaus

Evangelische Kirche St. Johannis. Foto: Claudia Guenther

1859 erwarb die katholische Kirchengemeinde das ehemalige Franziskanerkloster, in dem am 3. Oktober 1860 die Kongregation „Arme Dienstmägde Jesu Christi“ (Dernbacher Schwestern) das Krankenhaus „St. Liborius“ eröffnete, das bis 1958 bestanden hat. / 1866 starben 127 Einwohner an der Cholera. / Seit 1875 führt die Bahnlinie Hannover-Altenbeken an der Stadt vorbei. Zunächst teilte sich Lügde mit Pyrmont einen Bahnhof. Erst 1892 wurde in Lügde ein eigener Bahnhof errichtet. / 1875 Auf der Fahrt zur Einweihung des Hermannsdenkmals in Detmold, legte Kaiser Wilhelm I. am Pyrmont-Lügder Bahnhof eine kurze Pause ein. Der Lügder Schützenverein paradierte vor dem Kaiser. / 1895 wurde die kath. Stadtkirche St. Marien durch einen Neubau im Stile der Neugotik ersetzt. Der Turm der alten Kirche blieb stehen und wurde aufgestockt. /

Brückentor 1970

Ansicht der Stadt Lügde von Westen mit Brückentor und Stadtkirche St. Marien. Foto: Juritz/Lügde

1909 Anschluß an das Stromnetz. / 1914/18 Im ersten Weltkrieg fielen 92 Lügder Einwohner, 14 wurden vermißt. Nach zögerlichen Anfängen im ausgehenden 19. Jahrhundert, entwickelte sich die Stadt nach dem ersten Weltkrieg weit über die Stadtmauern hinaus. Es entstand die erste größere Siedlung vor dem Niederen (nördlichen) Stadttor, die sog. Neustadt. / 1922/23 Nachdem sich bereits vor 1894 ein Dachverband der drei ursprünglichen Gesellschaften, die den Osterräderlauf seit alter Zeit veranstalteten gebildet hatte (siehe dazu auch den Bericht zum 6. August 1802) -die „Osterräder-Dächen“-, stellten deren Mitglieder am 10. November 1922 ein 8 Paragraphen umfassendes Statut im Hinblick auf die Brauchtumspflege auf und ließen die Vereinigung als „Dechenverein Lügde“ am 7. Februar 1923 von Bürgermeister Franoux polizeilich genehmigen. /

Lügde, Osterrad

Ein brennendes Osterrad läuft den Osterberg runter. Foto: Juritz/Lügde

1930 Bau der Wasserleitung. / 1933-1945 Im 3. Reich kollidierte die christliche Weltanschauung der Lügder Einwohner vielfach mit dem System der neuen Machthaber. 1934 z. B. richtete die „NS-Kulturgemeinde Gau Westfalen Nord“ mit Sitz in Münster den Osterräderlauf unter dem Motto: „1000 Jahre Osterräder“ aus. Daraufhin regte sich Widerstand in der Bevölkerung und 1935 wurde an der Ablaufstelle der Osterräder ein zehn Meter hohes Kreuz errichtet. 1937 wurden die Steine auf dem alten, 1905 geschlossenen jüdischen Friedhof am Alten Wall umgeworfen. Auf Veranlassung des Bürgermeisters sind sie danach auf dem 1887 neu eingerichteten jüd. Friedhof oberhalb der Stadt wieder aufgestellt worden. Dieser Friedhof ist bis heute unzerstört erhalten geblieben. 12 Mitglieder der Jüdischen Gemeinde Lügde wurden 1941/42 deportiert und kamen ums Leben. Einigen Mitgliedern der jüdischen Familien gelang es auszuwandern. Sie bzw. ihre Nachkommen haben Lügde später noch einmal besucht. Der kath. Vikar Steffensmeier, der sich öffentlich gegen die Machthaber äußerte, wurde am 23. April 1940 von der Staatspolizei verhaftet. Karl Freitag, Pastor der ev. luth. Gemeinde Lügde, der sich im Rahmen einer Parteiversammlung öffentlich gegen die Machthaber wandte, wurde daraufhin zur Strafe (!) in den Krieg eingezogen. Der aus Lügde gebürtige kath. Pfarrvikar Otto Günnewich wurde 1941 in Salway (Sauerland) verhaftet und am 10. August 1942 im Vernichtungslager Hartheim in Österreich ermordet. Er ist in Lügde beigesetzt worden.
Durch verschiedene Luftangriffe auf die Eisenbahnstrecke Hannover-Altenbeken, entstanden an der Kirche St. Kilian und an verschiedenen Häusern Schäden. 1943 kamen 253 Bombengeschädigte aus Essen nach Lügde, für die Behelfsheime am Brunnenweg (auf dem Gelände des heutigen Freibades) und Unter den Klippen errichtet wurden. Kurz vor Ende des 2. Weltkrieges war Ostern und viele alte Dechenvereinsmitglieder sahen die Tradition des Osterräderlaufes in Gefahr. Der damalige katholische Pfarrer Kurth berichtet in einem Brief vom 8. April 1945 darüber: „Am Gründonnerstag kam Edmund Blum… zu mir. Er war bestürmt von den alten Dechen welche nicht im Felde standen die Osterräder laufen zu lassen, um die uralte Tradition nicht untergehen zu lassen. Ich habe ihm zugesprochen. Und so hat er am heiligen Ostern in dieser Gefahr, viele Tiefflieger kamen immer rüber, am Nachmittag gegen 3 Uhr ein Rad auf den Osterberg mit einigen Alten geschafft. Stroh hat er nicht hineingebunden es aber dann gegen Pyrmont laufen lassen. Wir haben alle gebetet und viele standen am Brückentor. Wir gingen bedrückt weg…“. Wie Fritz Hartmann und viele andere Lügder die dabei waren berichten, waren die Dechen später immer stolz darauf, daß der Räderlauf nicht unterbrochen worden ist. Einer der letzte Zeitzeugen dieses Osterräderlaufes ist Paul Ladwein. Er hat das Rad 1945 als Jugendlicher, gemeinsam mit Edmund Blum und anderen alten Dechen, mit auf den Osterberg gebracht und es nach dem Lauf, wie es einstmals Tradition in Lügde war, durch die Stadt gerollt.
In den letzten Kriegstagen wurde an der Höxterstraße, in der Nähe der Kilianskirche, aus Bäumen und anderen greifbaren Materialien eine sog. Panzersperre errichtet. Am 5. April 1945 besetzten die Amerikaner von Eschenbruch und Hagen kommend die Stadt. Pfarrer Kurth schreibt in dem oben schon erwähnten Brief dazu: „Am Donnerstag, den 5. April 1945 rückten die Amerikaner ein, schossen aber auf die Stadt und sieben Häuser brannten und waren beschädigt… Landwirt Hermann Blome und August Evers hingen eine (weiße) Fahne am Kirchturm auf und alles war still… bis die Amerikaner kamen. Sie besetzten das Rathaus… Die alten Parteigenossen in Lügde… wurden von allen Posten enthoben und unter Hausarrest gestellt…beim Schützenverein alle Gewehre beschlagnahmt… die Dechen mußten auch eine Waffe für die Böller abgeben…“. Im 2. Weltkrieg fielen 114 Lügder, 12 wurden vermißt. / Am 8. Februar 1946 wurde die Stadt durch ein Emmer-Hochwasser verwüstet, das teilweise 1,80 bis 2,00 Meter hoch in der Stadt stand. Dabei kamen rund zweihundert Stück Großvieh, sowie eine Anzahl Schweine und sonstiges Vieh um. In dreihundert Häusern waren sämtliche Räume der unteren Etage unbewohnbar. / 1946 kamen 336 Flüchtlinge aus den verlorenen Ostgebieten nach Lügde. Bedingt durch die gewachsene Einwohnerzahl und den dadurch erhöhten Wohnungsbedarf, entstand östlich der Stadt ein großes Siedlungsgebiet. Es siedelten sich auch verschiedene Industriebetriebe an. / 1951 schloß sich die Stadt Lügde mit dem Dorf Harzberg zu einer Verwaltungseinheit, dem „Amt Lügde“ zusammen. / 1964 wurde das alte Rathaus aus dem Jahre 1799 abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. / 1969 endete für Lügde, nach 301 Jahren, das Enklavendasein. Im Rahmen der kommunalen Neuordnung wurde das seit 1951 bestehende Amt Lügde mit Wirkung zum 31. Dezember 1969 aus dem Kreis Höxter ausgegliedert und zum 1.1.1970 dem Kreis Detmold (heute Lippe) zugeordnet. Mit den ehemals selbständigen Lippischen Gemeinden Elbrinxen, Rischenau, Niese, Köterberg, Hummersen, Falkenhagen, Wörderfeld, Sabbenhausen und den Wohnplätzen Henkenbrink, Hünkergrund, Hollhöfen, Ratsiek, Butze, Finkenkamp und Biesterfeld, bilden Lügde und Harzberg seither eine Gemeinde. / 1970-76 Umfassende Renovierung der Kirche St. Kilian. / 1978 bildete der Lügder Stadtrat einen Sanierungsausschuß und erhielt in den folgenden Jahren Fördermitteln des Landes NRW für die Sanierung der historischen Altstadt. Die Straßen wurden in verkehrsberuhigte Zonen umgewandelt und die fast vollständig erhaltene Stadtmauer saniert. / 1984 Lügde feierte seine erste Erwähnung vor 1200 Jahre. In den 1990er Jahren wurden die katholische St. Marienkirche, die ev. luth. St. Johanniskirche und das ehemalige Franziskanerkloster umfassend saniert. Im letzteren wurden der katholische Kindergarten und das Pfarrgemeindezentrum untergebracht. / 2004/05 entstand eine Bahnunterführung, um die östlich der Altstadt liegenden Wohngebiete verkehrstechnisch besser anzuschließen. / 2005 wurde mit dem Bau der Teilortsumgehung der Lügder Altstadt begonnen. Am 29. September 2007 richtete ein Emmer-Hochwasser im Bereich der Umgehungsstraßenbaustelle erheblichen Schaden an. Da zeitweise die Gefahr bestand, daß ein Baukran durch das Hochwasser umstürzte, mußten Teile der Hinteren- Brücken- und Mühlenstraße vorübergehend evakuiert werden. Nach Fertigstellung der Umgehungsstraße ist, im Bereich des ehemaligen Grünstreifens zwischen dem Fluß Emmer und der Stadtmauer, der sog. „Emmerauenpak“ eingerichtet worden. Neben verschiedenen Spielgeräten für Kinder und einem Kiosk, sind ein Emmerinsel und ein Strand angelegt worden. / 2009/2010 feierte die Stadt Lügde, gemeinsam mit der Nachbarstadt Bad Pyrmont, die 1225-jährige Wiederkehr des Besuches Karls des Großen (784), die jeweils 20 jährige Städtepartnerschaft mit Angermünde bzw. Bad Freienwalde, 825 Jahre Burg Pyrmont und 755 Jahre Stadtrechte Lügde. / 2014 Die Hauptstraße der Altstadt (Mittlere Straße) ist in eine Verkehrsberuhigte Zone umgebaut und der Marktplatz umgestaltet worden. Verschiedene nicht mehr bewohnte Häuser der Altstadt, sowie leer stehende Geschäfte sollen belebt werden. /

Lügde, Mittlere Straße 2

Mittlere Straße 2015. Foto: Manfred Willeke

2015 Die Stadt Lügde tritt der Deutschen Märchenstraße bei. Bereits 1993 sind auf Veranlassung des Verfassers mehrere Sagen in Eberhard Michael Ibas Buch: Aus der Schatzkammer der Deutschen Märchenstraße (S. 292-303) veröffentlicht worden.

Lügde, Osterberg

Flußlauf der Emmer vor den Toren der Stadt Lügde. Im Hintergrund der Osterberg. Foto: Manfred Willeke

Die Fürstbischöfe von Paderborn, Stadtherren von Lügde bis 1802
1661-1683 Ferdinand II., Freiherr von Fürstenberg
1683-1704 Hermann Werner, Freiherr von Wolf-Metternich
1704-1718 Franz Arnold, Freiherr von Wolf-Metternich
1719-1761 Clemens August, Herzog von Bayern
1763-1782 Wilhelm Anton, Freiherr von der Asseburg
1782-1789 Friedrich Wilhelm, Freiherr von Westfalen
1789-1802 Franz Egon, Freiherr von Fürstenberg, dann 1802-1825 Reichsfürst und Bischof von Paderborn und Hildesheim

Harzberg
Der Name des heutigen Dorfes, damals noch ein Waldgebiet, wird bereits in einem Grenzprotokoll 1463 erwähnt. Nach der Teilung der Grafschaft Pyrmont 1668 blieb dieses Waldgebiet, obwohl es im Gebiet der Fürstbistums Paderborn (Lügde) lag, im Besitz der Grafen/Fürsten zu Waldeck und Pyrmont. Nach Vorplanungen seit 1695, stellten die Grafen zu Waldeck und Pyrmont am 24. September 1699 einen „Meyerbrief“ für die Brüder Georg Henrich und Moritz Haßen (aus dem Gebiet der Pfarrei Sandebeck, heute Stadt Horn-Bad Meinberg) und Johann Albert Soethe (aus dem Pyrmonter Dorf Hagen) aus. Danach bauten diese dort die ersten Häuser und durften den Wald roden bzw. urbar machen. Die Abgaben für ihre Ländereien mußten sie an die Grafen/Fürsten zu Waldeck und Pyrmont liefern/zahlen.

Harzberg, Dorfansicht

Das Dorf Harzberg, im Vordergrund die alte Schule.  Foto: Manfred Willeke

-AUS DER GESCHICHTE DES DORFES HARZBERG
1715 Harzberg wird von rund 60 „Tatern“, d. h. fahrendem Volk belagert, die vom Lügder Stadtrichter und dem Scharf- und Nachrichter vertrieben bzw. des Landes verwiesen werden. / 1752 Die Einwohner Harzbergs einigen sich mit der Stadt Lügde darauf, jährlich 3 Groschen aus jedem Haus für das „freie Geläut“ (im Todesfall) zu bezahlen. / 1761 In Folge des 7-jährigen Krieges treiben englische Soldaten einen Wagen aus Harzberg ein. / 1801 Der Ochsenkamp bei Harzberg wird von den Fürsten zu Waldeck und Pyrmont erneut als Erbzinsland an die Harzberger Einwohner verpachtet. Insgesamt bewirtschafteten die Harzberger 354 ½ Morgen Land, wofür sie an die Fürsten zu Waldeck und Pyrmont jährlich 226 Taler und 19 Mariengroschen an Meiergeld zu bezahlen hatten. / 5. Januar 1846 Mit Hilfe der Stadt Lügde, die den Harzberger Einwohnern 1350 Reichstaler vorstreckte, lösten die elf abgabepflichtigen Hofbesitzer in Harzberg die zu leistenden herrschaftlichen Dienste und Abgaben an die Fürsten zu Waldeck und Pyrmont für insgesamt 4000 Reichstaler ab. / 1867 Der verstorbene Schuhmacher und Ackersmann Carl Josef Huneke vererbte der kath. Kirchengemeinde Lügde sein ganzes Vermögen. 1000 Taler davon bestimmte er zum Bau einer Kapelle und 5000 Taler zur Begründung einer Schule in Harzberg. 1870 wurde daraufhin eine Privatschule in Harzberg eingerichtet. / 1903 Direkt neben dem Dorf Harzberg (im Bereich der Lügder Feldmark) errichteten die Gebrüder Maris (später Ridderbusch) eine Ringofenziegelei. / 1912 Aus den Restbeständen der Hunekeschen Stiftung (1867) und Mitteln der Stadt Lügde, wurde eine Schule in Harzberg erbaut, zunächst getrennt für katholische und evangelische Kinder. / 1914/18 Im 1. Weltkrieg fielen 6 Harzberger Einwohner und ein Sohn des Ziegeleibesitzers. / 1940 Das Dorf Harzberg hat 19 Wohnhäuser, 20 Haushalte und 95 Einwohner. Der Gemeindebezirk umfaßt 102 Hektar. / 1939/45 Im 2. Weltkrieg fielen 9 Harzberger Einwohner, 3 wurden vermißt. / Am 6. April 1945 besetzten Amerikanische Truppen von Schieder aus Harzberg. / 13. Juli 1947 In einem unbenutzten Raum der ehem. ev. Schule wird eine Kapelle für kath. und ev. Christen eingerichtet, dem Paderborner Heiligen Meinolf von Böddecken geweiht. / 1951 In Harzberg wohnen u. a. 46 Flüchtlinge und Evakuierte. Die Stadt Lügde und das Dorf Harzberg schlossen sich in diesem Jahr zu einer Verwaltungseinheit, dem „Amt Lügde“ zusammen. / 1953 Die Familie Steinmeier stellte ein Stück Land für die Einrichtung eines eigenen Friedhofs zur Verfügung. / 1956 Die Schule in Harzberg wird aufgelöst. / Zum 1.01.1970 schließen sich die Stadt Lügde und Harzberg mit dem ehemals selbständigen Lippischen Dörfern zur Großgemeinde Lügde zusammen. / 1996 Harzberg bekommt eine Umgehungsstraße. / 1999 Harzberg feiert sein 300-jähriges Bestehen. / 2005 Die Stadt Lügde, Eigentümerin der ehem. Schule Harzberg, verkaufte das alte Schulgebäude. Danach ist die 1947 in der ehem. Schule eingerichtete Kapelle, da sie nicht grundbuchmäßig abgesichert war, aufgelöst worden. Heute befindet sich im ehem. Schulgebäude eine Privatschule.

Blick vom Schellenturm über das Pyrmonter Tal

Blick vom Schellenturm in Bad Pyrmont über das Bad Pyrmont-Lügder Tal. Foto: Manfred Willeke